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Leebsch sagt kein Mensch

Leebsch sagt kein Mensch

Nichtleipziger denken manchmal, wir würden den Namen unserer Stadt folgendermaßen aussprechen: Leebsch oder Leebzsch. Das ist allerdings Quatsch. Leipziger sagen Leipzisch, vielleicht noch Leibzisch, ganz selten Leipzig, denn das klingt zu gestelzt, aber niemals Leebsch oder Leebzsch. Versuchen Nichtsachsen sächsisch zu reden, geht das in der Regel schief und kommt auch nicht gut an. Wollen Nichtsachsen Sachsen sächsisch sprechen hören, sollten sie ins Kabarett gehen (obwohl dort ab und zu übertrieben wird) oder eine Runde mit der Straßenbahn fahren.

Achtung: Dresdner und Chemnitzer sprechen ihr Sächsisch anders als Leipziger. Thüringer sprechen fast wie Sachsen, wären aber beleidigt, wenn man ihnen das sagte, und die Autobahn A9 im Westen der Stadt ist die Sprachgrenze zwischen Sachsen und Sachsen-Anhalt, in Dölzig spricht man noch sächsisch, in Günthersdorf schon nicht mehr.

Eine schöne Leipziger Anrede (allerdings der vertraulicheren Art) ist: Mei(n) Guuder oder Meine Guude. Mei(n) Guudsder oder Meine Guudsde wirkt schon wieder etwas übertrieben. In unserer Nachbarstadt Halle übrigens sagt man stattdessen einfach Meiner bzw. Meine und lässt das Gute komplett weg.

Typisch für das Leipziger Sächsisch ist das Verniedlichen oder Verkleinern. Man trinkt zum Beispiel ein Bierchen, ein Kännchen, noch ein Gläschen oder nimmt ein Stückchen Kuchen, ein Schnittchen oder ein Löffelchen Kartoffelsalat, wiederum aber kein Würstchen, sondern eine (Brat-)Wurst. Dafür sagt man Tachschen (von Tag) und manchmal Hallöchen, jedoch nicht Tschüsschen, sondern Tschüssi.

Außerdem essen wir Füsch, trinken Mülsch und gehen – auch wenn die meisten von uns nicht kirchlich sind, was den Pfarrer der Thomaskirche öffentlich aufbrachte – in die Körsche (oder extremer: in die Gärsche). Der Pfarrer sollte vielleicht ein Stückchen Schocklade essen. Das macht gute Laune. Zuguterletzt gibt’s noch zwei vom Essen inspirierte Schimpfworte für den dezenten Gebrauch hinterm Lenkrad: Eibemme und Eierkopp. Und noch zwei schöne, vorgeschlagen von Meigl Hoffmann: Gurgnhals und Voochl! Davor setzt man in der Regel ein vertrauliches Du. Genau wie bei: Du Blebbo!

Liebe Auswärtige, versucht es in Leipzig bitte nicht mit dem historischen Ei, verbibbsch. Unverständnis oder Verwunderung werden die Reaktionen Eurer Gegenüber bestimmen. Dieser einst typisch sächsische Ausspruch kam einfach aus der Mode – vor circa 50 Jahren.

Nachtrag am 24.06.2014: Heute teilt das Amt für Statistik und Wahlen der Stadt Leipzig Folgendes mit: „Eine Auswertung der Geburtsorte der Leipzigerinnen und Leipziger ergab: zwei Drittel sind Sachsen.“

Nachtrag am 24.10.2017: In Markranstädt sahen wir das leider schon wieder geschlossene Schreibwarengeschäft Radschefummel. Ein herrliches sächsisches Wort! Noch gebräuchlicher war bzw. ist Radscher.

Nachtrag am 06.11.2023: Friedrich schreibt: „… habe mir den Artikel durchgelesen,  darüber was man nicht zu Leipzig sagt. … Och, ich bin auch kein gebürtiger Sachse. Aber eine Anekdote dazu hab ich. Ich war Ende der 70er zu Jugendtreffen in Brandenburg/Havel. Wir wollten dort zu einem Konzert und fragten einen Volkspolizisten nach dem Weg. Antwort: Wees nich, bin aus Leipzsch! Seitdem weiß ich das und würde nie auf Leebsch kommen. Dann noch was, fragt mich ein Offizier auf russisch, ob der Zug nach Lipsk fährt. Ich saß im Zug nach Leipzsch/Lipsk.“ Danke, Friedrich!