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Leipzig – Die wunderschöne Stadt I

Leipzig - Die wunderschöne Stadt I

Man muss nicht alles neu schreiben, manchmal kann man auch einfach etwas Altes lesen, zum Beispiel die Broschüre „Leipzig – Die wunderschöne Stadt“ (Paul Wolff, Verlag J.C. Hinrichs’sche Buchhandlung, Leipzig, 1930er Jahre – mit 48 Fotografien), aus der wir an dieser Stelle zitieren:

„Ein Rundgang um den Ring ist eine Wanderung, die mit offenen Augen genossen werden sollte. Die Strecke des Ringes vom Rathaus bis zum Fleischerplatz* zeigt heute starken Großstadtverkehr, aber nur einen Schritt abseits, und es gibt uns erinnerungsschwere Stille. Lurgensteins Garten, der letzte Rest einer Zeit, da der Bürger sich solche Paläste bauen konnte, was uns heute fast unbegreiflich erscheint.

Vieles, was noch vor dreißig Jahren da war, ist heute verschwunden. Wir nennen nur das Römische Haus am Peterssteinweg und Gerhardts Garten am Naundörfchen. Hier trat man von der Straße weg durch ein Gittertor und war erschüttert und von Traum umfangen wie der Mönch von Heisterbach. Hier waren hundert Jahre wie ein Tag. Das war das letzte Abendleuchten einer Zeit, die Leipzig auch berühmt gemacht hatte als Stätte einer hohen Geisteskultur, die ihren Ausklang in Musik fand. Bach, der hier lebte, und Wagner, der hier geboren ward, diese beiden machen Leipzig für ewig zur Stadt der Musik, die im Gewandhaus** ihre weithinklingende und bleibende Stätte fand.

Durchs altberühmte Rosental führt uns der Weg nach Gohlis, wo im heute noch eleganten Gohliser Schlößchen der elegante junge Goethe weilte. Nicht weit davon verlebte Schiller Tage, die ihn zum „Lied an die Freude“ anregten, in einem kleinen winkligen Bauernhause. Wer Schillers Leben kennt, erstaunt nicht über diese Bescheidenheit.

Voll Majestät ist der Platz, über dem das Reichsgericht sich dunkel erhebt. Hier hat der Baumeister die großen Mittel, die ihm zur Verfügung standen, mit griechischer Zurückhaltung verwendet. Das ist ein wahrhafter Tempel, der streng wägenden Göttin gebaut. Viel munterer ist das Rathaus. Trotz aller Größe nicht ohne Frohsinn steht der uralte Turm über dem bunten Geschehen der großen Stadt. Wir erinnern uns der Pleißenburg***, die hier stand, mit den tiefen Festungsgraben, in denen die 107er ihre Griffe kloppten.“

* heute in etwa: Kreuzung von Ring, Ranstädter Steinweg und Pfaffendorfer Straße, die alte Postkarte zeigt im Hintergrund die Reformierte Kirche
** Altes Gewandhaus; stand zwischen Beethoven- und Mozartstraße, dort, wo sich heute das Geisteswissenschaftliche Zentrum der Uni befindet
*** Vorgängerbau des Neuen Rathauses, der alte Turm wurde integriert

Wir danken einer sehr freundlichen Leserin für das Bereitstellen alter Bilder!