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Kirche ohne Sachsen

Kirche ohne Sachsen
Russische Kirche (Foto: Harald Stein, Wortblende)
Russische Kirche (Foto: Harald Stein, Wortblende)

Zwischen Deutscher Bücherei und Friedenspark, in Sichtweite der Alten Messe mit dem Sowjetischen Pavillon (siehe unseren Beitrag „Ein Film und fünf Buchstaben“), steht eine exotisch-zwiebeltürmige Kirche – die Russische Gedächtniskirche. Gedacht wird an und in dem 1913 errichteten Bauwerk in erster Linie der 22.000 russischen Soldaten, die hundert Jahre zuvor während der Völkerschlacht bei Leipzig gefallen waren.

An der Kirchenwand vermerkt sind weiterhin 16.000 ums Leben gekommene Preußen, 12.000 Österreicher und 300 Schweden sowie die Mannschaftsstärken der auf siegreicher Seite teilgenommen habenden Truppen: 127.000 Russen, 89.000 Österreicher, 72.000 Preußen und 18.000 Schweden. Warum keine Sachsen erwähnt sind? Weil sie, also wir, nicht zum ersten Mal auf der falschen Seite gefochten haben, in diesem Falle unter dem Kommando des Franzosen Napoleon. Zur Strafe wurde das Königreich Sachsen nach der Niederlage des 18. Oktober 1813 empfindlich verkleinert, u.a. um große Teile des heutigen Bundeslandes Sachsen-Anhalt, das ja nicht von ungefähr so heißt, wie es heißt.

„Den Entwurf zu der nach achtmonatiger Bauzeit am 18.10. 1913 geweihten Kirche lieferte der Petersburger Architekt Wladimir Alexandrowitsch Pokrowski. Die Ausführung besorgten die Leipziger Architekten Georg Weidenbach und Richard Tschammer. Der Rat der Stadt stellte das Baugelände zur Verfügung, während der Bau russisch finanziert wurde“, erläutern Stephanie von Aretin, Thomas Klemm und Nikolaus Müller in ihrem 2006 erschienenen Buch „Leipzig und seine Kirchen“. Man bekommt es wie viele andere Leipzig-Bücher antiquarisch unter den Arkaden des Alten Rathauses.

Die Russische Kirche hat täglich von 10 bis 16 Uhr geöffnet, abzüglich einer Pause von 13.15 bis 14 Uhr. Unmittelbar an die Kirche grenzt der besuchenswerte Friedenspark an. Ebenso zumindest von außen in Augenschein nehmen sollte, wer einmal hier ist, die Deutsche Bücherei, die Alte Messe (mit Doppel-M an der Prager Straße) und das Völkerschlachtdenkmal.

Interessant im Zusammenhang mit der Völkerschlacht sind einige Straßennamen in Leipzig. So kann man im Stadtteil Probstheida in der Russenstraße, Preußenstraße und in der Franzosenallee wohnen. In Paunsdorf gibt es eine Sachsenstraße – laut www.leipzig-lexikon.de nach den sächsischen Teilnehmern der Völkerschlacht benannt – und gab es eine Schwedenstraße, die aufgrund von Eingemeindungen und daraus folgenden Straßenumbenennungen heute Theodor-Heuss-Allee heißt. Dafür durfte Lindenthal seine Schwedenstraße behalten, wobei der Name hier auf den 30jährigen Krieg und die Schlachten im nahen Breitenfeld zurückzuführen ist (siehe unseren Beitrag „Gustav Adolf in Breitenfeld“).

Danke an unseren Blogger-Kollegen Harald für seine schöne Nachtaufnahme!