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Leipziger Fliesen-Memory

Leipziger Fliesen-Memory

Nicht nur wir begeistern uns für alte Fußbodenfliesen in Leipziger Gründerzeithäusern, auch Inka Perl. Sie hat sich das Leipziger Fliesen-Memory einfallen lassen. Warum, weshalb, wieso? Wir beginnen ganz von vorn.

Du bist Leipzigerin von Geburt an, richtig?
Ich bin eine Leipziger „Ureinwohnerin“, richtig!

In welchem Stadtteil bist Du aufgewachsen und zur Schule gegangen?
Aufgewachsen im Stadtteil Connewitz, nun auch wieder dort sesshaft. Es ist einfach ein angenehmer Ort zum Leben und kreativen Arbeiten.

Was machst Du heute?
Ich bin bildende Künstlerin, da ist man sensibel für schöne Dinge. Die erste Fußbodenfliese habe ich 2011 in einem Hausflur in Berlin fotografiert. Ein Stern war darauf, sie ist auch im Memory enthalten, dann fielen mir plötzlich überall diese wunderschönen Ornamente auf und ich ging gezielt spazieren, um sie zu fotografieren, in Leipzig, Krakau, Hamburg, Berlin, Dresden oder wohin ich sonst so durch meine Ausstellungstätigkeiten oder audiovisuellen Konzertauftritte hinkam. Meine Künstlerkollegen mussten manchmal Geduld aufbringen, wenn ich unbedingt nochmal diesen oder jenen Hauseingang fotografieren wollte. Die meisten Häuser sind ja verschlossen und ich konnte die Muster nur durch die Scheiben aufnehmen, insofern das Licht reichte.

Du hast dann fotografiert, nachgezeichnet, Kartons gebastelt …
Am Computer habe ich die Fotos dann entzerrt und mir Vorlagen ausgedruckt. Mit Aquarellbuntstiften habe ich die Ornamente auf Malpappen im Originalformat nachgezeichnet. Anfangs war das eine fast therapeutische Beschäftigung – ich suchte einen Ausgleich zur Computerarbeit. Ich wollte mal wieder was mit den Händen machen. Dann ist mir der Reichtum des Themas klar geworden und nun ist es eine umfängliche Sammelleidenschaft geworden. Manchmal schicken mir Freunde und Bekannte Muster zu, die sie irgendwo entdeckt und fotografiert haben, aber – halt – das gilt nicht! Ich muss persönlich vor Ort gewesen sein. Sonst könnte ich mir ja gleich die Motive aus dem Internet herunterladen. Es geht um die individuellen Wege, die Erinnerungsmarken. In Leipzig laufe ich manchmal eine Straße entlang und denke: Ach, dort in diesem Eckhaus hast du ja die „Disko-Fliese“ entdeckt! Das ist natürlich ein von mir vergebener Name, auf der Fliese sind ineinander verschlungene Kreise in Gelb-, Rot- und Orangetönen, so dass man sie in die 60er oder 70er Jahre verorten würde, jedoch ist sie eher über 100 Jahre alt. Dieses Muster habe ich dann auch in Krakau wiederentdeckt, dort war eine Jahreszahl mit ins Mosaik gelegt: 1887.

Nenn mal bitte ein paar Ecken, in denen Du „Deine“ Fliesen gefunden hast.
In Leipzig bin ich in den verschiedensten Stadtteilen fündig geworden, die meisten Muster habe ich wohl in Connewitz und der Südvorstadt fotografiert, ebenso war ich aber auch in Gohlis, Reudnitz und Lindenau „auf der Jagd“. Es gibt Muster, die häufig zu entdecken sind, zum Beispiel das „Weinblatt“, manchmal in verschiedenen Farbvarianten, andere sind eher selten oder einmalig. Nachdem ich weit über 100 Muster gemalt hatte, habe ich diese gebündelt und daraus ein Wandobjekt gebaut, welches etwas an ein gotisches Glasfenster oder einen Altar erinnert. Es war 2013 zur Leipziger Jahresausstellung im Westwerk ausgestellt und 2017 in einer Ausstellung meines Kunstprojekts Sehnsuchtsmuseum* im Tapetenwerk. Dort gab es im „Museumsshop“ die erste Version meines Leipziger Fliesen-Memorys. Die Kleinauflage von 100 Stück wird von mir in Handarbeit hergestellt. Die Verpackung besteht aus historischer Pappe und wurde von mir in Zusammenarbeit mit der Handbuchbinderei „papp-o-mania“ erarbeitet, die ihren Sitz in Connewitz hat. Später habe ich das Produkt noch überarbeitet – jetzt gibt es ein schönes Etikett und einen Begleittext auf der Rückseite. Im Päckchen sind 33 Fliesen-Paare enthalten. Ich habe es vor einiger Zeit mit meiner Familie und meinem damals vierjährigem Neffen gespielt. Er war natürlich als Erster fertig und hatte gleich seine Lieblingsmotive.

Wo bekommt man Dein Fliesen-Memory?
Gelegentlich biete ich es persönlich bei meinen Ausstellungen oder Märkten an, da es aber momentan keine Termine gibt, ist es nur bei mir direkt erhältlich – Kontakt über Sehnsuchtsmuseum.de. Für eine größere Nachproduktion bin ich noch auf der Suche nach einem passenden Verlag.

* siehe unseren Beitrag „Das Sehnsuchtsmuseum“ (Dezember 2016)

Nachtrag 1: Auf www.kerana.de kann man die historischen Fliesen als Fliesen beziehen!
Nachtrag 2: Inkas handgearbeitetes Kleinserien-Liebhaber-Memory kostet 20 Euro.
Nachtrag 3: In der Lindenauer Röntgenstraße wurde die Disko-Fliese außen verwendet (siehe Foto).