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Leipziger Rennfahrerlegende

Leipziger Rennfahrerlegende
Hartmut Thaßler (91) im MT 77 (Foto: Archiv Hartmut Thaßler)
Hartmut Thaßler (91) im MT 77 (Foto: Archiv Hartmut Thaßler)

(J.R.) Wenn jemand von uns geht, bleiben oft nur die Gedanken an ihn, an das, was er geschaffen hat und das, was er uns vermittelt hat: Freundschaft und eine Menge Wissen um Dinge, die sein und unser Leben bereicherten. Schade, dass einem das immer erst hinterher so deutlich bewusst wird. Der selbständige Kfz.-Meister und zweifache DDR-Meister im Spezialtourenwagen B5 (1970) bzw. Formel Easter LK I (1975) war so eine Persönlichkeit. Hunderttausende Zuschauer begeisterte der Motorrennsport zu DDR-Zeiten! Die „Formel 1 des Ostens“ brachte Rennsport-Legenden wie Ulrich „Ulli“ Melkus, Bernd Kasper oder eben Hartmut Thaßler, um den es hier geht, hervor. Lebensmüde, durchgeknallt, Raser, Exzentriker – viele der Rennfahrer im Osten wollten etwas anderes machen und etwas anderes sein als der Durchschnitt, der seinen Trabant, Wartburg oder Lada zu Tode pflegte oder im Schrebergarten Bier trank, egal ob in Brünn, Most, auf dem Sachsenring oder am Schleizer Dreieck. Hartmut Thaßler, die Leipziger Rennfahrerlegende, starb am 10. Oktober 2019 mit 78 Jahren nach kurzer Krankheit.

Geschäfte machen, das war sein Leben! Dieses wahre Talent zeigte sich erst, als er seine sportliche Karriere im Jahr 1982 beendet hatte. Abseits der Rennstrecken stieg der brillante Konstrukteur in die Kreise der Privilegierten auf. Mit seiner energischen Schlitzohrigkeit schaffte er es nicht nur zu einem begeisternden Piloten, sondern fuhr – über abenteuerliche Quellen und Wege – gar Leipzigs ersten und einzigen Porsche 911 Turbo. Zu DDR-Zeiten! In seiner Drei-Mann-Firma in Wiederitzsch fertigte Hartmut Thaßler vor der Wende insbesondere Teile aus glasfaserverstärktem Polyester, dazu zählten zum Beispiel Bootskörper, unter anderem für die Seerettung, Gondeln für Karussells, Surfbretter und Verkleidungen für die Motorräder MZ 250. Da diese Produkte edle Einzelstücke waren, fanden sich zahlungskräftige Käufer. Materialprobleme kannte der Sportsmann so gut wie nicht, da er auch für die Nationale Volksarmee produzierte. Gerüchten zufolge soll er bis zu 2.000 DDR-Mark verdient haben – am Tag!

So stellte er Mitte der 80er Jahre einen sehr edlen Aufbau für den B1000-Transporter her, der den Charakter eines Wohnmobils hatte. Wohnmobile gab es in der DDR eigentlich gar nicht zu kaufen. In erster Linie war Thasslers Variante für den Transport der Rennwagen und zum Übernachten in den Fahrerlagern gedacht. Er produzierte vier Stück, drei mit einer einfachen Hinterachse und einen mit einer Doppelachse. Ende der 1960er, Anfang der 1970er Jahre wirkte der Mann als Statist im DDR-Fernsehmehrteiler „Ich – Axel Cäsar Springer“ mit. Da für den Film Komparsen mit einer im Privatbesitz befindlichen BMW gesucht wurden, war es ihm eine Freude und ein Gaudi zugleich, dort mitzuwirken. In der Mini-Serie wird der Werdegang des Verlegers Axel Springer propagandistisch und teilweise bewusst dramatisch in Szene gesetzt. Nach der politischen Wende verkaufte Hartmut Thaßler seinen erfolgreichsten Rennwagen, den MT 77 mit getunten Lada-Motor (140 PS!), baute aber einen ähnlichen noch einmal neu auf und fuhr diesen fortan bei Präsentationsfahrten. MT steht für die Konstrukteure Ulli Melkus und Hartmut Thaßler, die 77 für das Erscheinungsjahr bzw. das Jahr der ersten echten Renneinsätze 1977.

Ein besonderer Dank geht an den Ex-Rennfahrer Jürgen Meißner (68), der unseren Autor Jens Rübner schon im vorigen Jahr bei dessen Buchprojekt „Die Unsichtbaren – Kaskadeure in der DDR“ unterstützte und für diesen Beitrag hier das Barkas-Wohnmobil-Foto zur Verfügung stellte. Wir wiederum danken Jens!