(A.H.) Das Thema Drogen hatten wir vor kurzem schon in Schleußig angeschnitten. Wobei es hier um Heilmittel, Haushaltchemie und Wellness im weitesten Sinne geht. Vor der Etablierung der Drogeriemärkte versorgten viele Einzelhandelsdrogerien die Kundschaft. In Leipzig gab es 1988 immerhin 54 inhabergeführte Fachdrogerien, hinzu kamen noch 20 Geschäfte der Staatlichen Handelsorganisation HO und neun der Konsumgenossenschaft. 1950 offerierten 117 Fachdrogerien ihre Waren, 1943 gar 247! Heute unvorstellbar, der Markt in Leipzig wird im wesentlichen nur noch von drei Handelsketten beherrscht.
Oft war die Namensgebung vielfältig, von der Adler- über Gutenberg-, Kurprinz- und Minerva-, Palmengarten- bis hin zur Westend-Drogerie reichte das Repertoire. Auch eine Marien-Drogerie gab es in Leipzig, wobei es unter dieser Bezeichnung eigentlich zwei Etablissements gab. Ein kurzlebiges in der Nordostvorstadt und eine Plagwitzer Ausgabe mit wesentlich längerer Verweildauer. Ersteres befand sich im Eckgebäude Ranftsche Gasse 2 / Lange Straße 32a, wurde ab 1893 vom Max Damm betrieben und bestand bis 1916. Das Haus verschwand nach 1970 von seinem Standort – heute konkurriert dort wildes Gestrüpp mit der üppigen Bepflanzung des benachbarten Marienplatzes.
In Plagwitz eröffnete Gregor Ottomar Heinrich 1895 in der Karl-Heine-Straße 75 eine Marien-Drogerie. Drogist Heinrich verkaufte nicht nur Handelsware, er mixte auch selbst. So etwa „Heinrich’s Haut-Cream“, wie einer Anzeige von 1898 zu entnehmen ist. Bei regelmäßiger Benutzung war eine geschmeidige Haut garantiert. Nicht ungewöhnlich zu der Zeit, damalige Drogisten quirlten so allerhand zusammen, um daraus dann Schuhputzcreme, Franzbranntwein, Zahnpulver oder Blechputzmittel entstehen zu lassen. Und nicht zu vergessen, die ersten Fotografen kauften ihre Utensilien zur Bildentwicklung genauso in einer Drogerie wie die frühen Kraftwagenlenker, welche sich ihren Treibstoff mangels vorhandener Tankstellen ebenfalls beim Drogisten um die Ecke besorgen mussten.
Heinrichs Tinkturen und Faltenspachtelmassen müssen in der von gesunden Lebensverhältnissen nicht gerade verwöhnten Nachbarschaft gut angekommen sein, die Drogerie wurde schon fünf Jahre später an einen neuen Inhaber übergeben. Otto Bauer übernahm, führte den Laden aber nur für ein Jahr weiter, um dann 1902 das Drogeriegeschäft von Christian Friedrich Schmidt in der Nikolaistraße 34 zu leiten.
In Plagwitz stand daraufhin Ferdinand Friedrich Carl Hertzer hinter dem Tresen, ebenfalls als Inhaber, die Bezeichnung Marien-Drogerie G.O. Heinrich wurde noch viele Jahre beibehalten. Möglicherweise ist Carl Hertzer 1927 verstorben, zumindest wird von da an Else Hertzer die umliegende Klientel mit Drogen aller Art beglücken.
1934 findet ein erneuter Inhaberwechsel statt, Max Knoche übernimmt die Marien-Drogerie bis etwa 1951, danach versucht sich Carl Höpfner noch ein paar Jahre als „Kosmetik-Dealer“. Ende der 1950er Jahre wird das Geschäft von der staatlichen Handelsorganisation HO übernommen und bis nach 1989 betrieben. Im ersten nach der Wende wieder erschienen Leipziger Adressbuch wird die traditionelle Drogerie 1995 nicht mehr erwähnt. Schade – das 100jährige Bestehen wurde knapp verpasst! Aktuell wird die Lokalität vom Friseur Schnittmeister genutzt.
Nachtrag im Sommer 2017: Der Friseur ist raus, der Hafen drin. Er zog kürzlich von der Merseburger Straße aus hierher nur kurz um die Ecke.