Der Neue Ufer e.V. hat sich aufgelöst, aus Enttäuschung über das Verhalten der Stadtverwaltung. Die sprach von Bürgerbeteiligung, setzte aber, als die Bürger sich anders als gewünscht entschieden, ihre Vorstellung durch. Konkret ging es um den künftigen Verlauf des Pleißemühlgrabens an der Hauptfeuerwache. Vor wenigen Tagen erschien das letzte Heft des Vereins, die „Neuen Ufer“ Nummer 12.
Darin wird die ganze Geschichte erzählt, erklärt und eingeordnet. Wir erfahren sogar, welche/r Stadtratspolitiker/in aus welchen Gründen wie entschieden hat und können die Enttäuschung der Vereinsmitglieder nachvollziehen. Immerhin haben die seit 1990 eine Menge Wasser ins zentrumsnahe Stadtbild zurückgebracht – vor dem Bundesverwaltungsgericht zum Beispiel, in der Wundt- und Grassistraße oder gegenüber der Thomaskirche.
Pleiße- und Elstermühlgraben waren, weil so lange schon unter dem Pflaster, von den Älteren vergessen und den Jüngeren unbekannt. Jetzt sind sie wieder präsent, auch wenn viele Lösungen auf Kompromissen beruhen und von den Neue-Ufer-Leuten nicht durchweg als ideal angesehen werden. Doch unstrittig dürfte sein, dass offenes Wasser in der Stadt etwas Schönes ist – denken wir nur an die Beliebtheit von Karl-Heine-Kanal und Weißer Elster.
Die „Neuen Ufer“ Nummer 12 zeigen erstaunliche Aufnahmen vom Naundörfchen, dem Fleischerplatz, der Barfüßmühle und vielen Brücken. Der Satz, dass es von letzteren in Leipzig mehr gebe als in Venedig, fällt uns da ein. Zwischen der Lortzingstraße und der Rosentalgasse floss Wasser, vor dem jetzigen Ergo-Haus (Goerdelerring 9, zwischen Käthe-Kollwitz- und Lessingstraße) ebenfalls. Dort wurde originellerweise das alte Flussbett auf der Wiese sichtbar gemacht und eine Brücke angedeutet. Kurz nach der Wende stellte der Neue Ufer e.V. an solchen Stellen Schilder auf, versehen mit Informationen und Zukunftshoffnungen.
Seit 31. Dezember 2019 ist der Verein Geschichte. Das letzte Heft seiner Publikationsreihe macht deutlich, was fehlen wird: Engagement für unsere Stadt, verbunden mit historischem Wissen und einem Sinn für das Besondere und dennoch Machbare. Lest in Nummer 12 auch von der Quelle, die Marienbrunn* ihren Namen gab, einem Mietshaus am Fluss (Thomasiusstraße 4) oder dem Badehaus des Bankiers Christian Wilhelm Reichenbach – alles erfreulich bebildert. Wo Ihr die Zeitschrift „Neue Ufer“ bekommt? Bei Pro Leipzig im Haus der Demokratie und im Atelier Gela-Hüte in der Spinnerei. Die Leipziger Blätter, die am 10. März 2020 erscheinen werden, beschäftigen sich ebenfalls mit diesem Thema.
Herzlichen Dank für die Bereitstellung des Bildmaterials an Jürgen, Harald und Thomas!
* siehe auch unseren Beitrag „Der Marienbrunnen von Marienbrunn“ (Juli 2013)