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Am Bayrischen Platz

Am Bayrischen Platz

Gurken und Zähne, Kaffee und Karl Marx rahmen in gewisser Weise den Bayrischen Platz, eine stark studentisch bevölkerte Ecke südöstlich der Innenstadt. Dort hat sich in den letzten Jahren einiges geändert. Zwei Bespiele: Der Anschluss des Bayrischen Bahnhofs ans neue Leipziger Tunnelsystem und die Umbenennung der Knolle in Stein (inklusive eines Betreiberwechsels).

Die LVZ vom 11.02.2014 berichtet: „Im Zentrum Südost soll der Abriss der früheren Gurkenkonservenfabrik Gebrüder Schumann ‚auf jeden Fall in diesem Jahr‘ verwirklicht werden. Das teilte Inge Kunath, Leiterin des Amts für Stadtgrün und Gewässer, auf LVZ-Anfrage mit … Seit einem Großbrand 2011 gilt das Betreten der Ruinen am Dösner Weg als lebensgefährlich. Die Industriebrache wurde eingezäunt … Für 730 000 Euro sollen nicht nur Gurken-Schumann und einige andere Uralt-Gewerbebauten verschwinden, sondern die Fläche danach – gemäß eines Masterplans für das Areal hinterm Bayerischen Bahnhof – begrünt werden.“

Neben der Brauerei und Gaststätte Bayrischer Bahnhof (vom Bayrischen Platz aus gesehen dahinter – Ihr kommt von der Kohlenstraße heran) gelangt Ihr, ohne eine Absperrung überwinden zu müssen, auf die zu begrünende Fläche. Erste Bäume stehen bereits, Gurken-Schumann steht noch. Der Blick zurück auf das Nebeneinander von alten Bahnhofsgebäuden und neuer S-Bahn-Station ruft Verwunderung hervor, die neue Station wirkt mickrig und provisorisch neben den eigentlich auch nicht allzu stattlichen älteren Bauten.

Von den Gurken zu den Zähnen: Im Postkartenbuch „Das Medizinische Viertel in Leipzig“ aus dem Quadrat Verlag, erschienen 2001, ist eine Ansicht der alten Zahnklinik in ihren Anfangsjahren abgebildet und eine von 2001. Darüber hinaus erklärt die quadratformatige Publikation, dass das Zahnärztliche Institut in der Nürnberger Straße 57 im Jahre 1910 eröffnet und während des Zweiten Weltkriegs zerstört worden ist. Der funktionelle Wiederaufbau erfolgte 1954, „die ehemals prächtige Fassade wurde nicht rekonstruiert“. Inzwischen gibt’s das ganze Haus nicht mehr, dafür ein neues.

Gehen wir weiter: Interessante, sehr großformatige Bilder des Bayrischen Bahnhofs hängen im Café / Bäcker Lukas über der Theke. Der Laden ist sowieso ganz nett. Holt Euch ein Getränk und guckt ganz in Ruhe – auf die Bilder über der Theke, den kleinen Wochenmarkt vor den Fenstern, auf die Studenten, die Krankenbesucher und die Patienten. Das (gerade genannte) Medizinische Viertel grenzt unmittelbar an und trägt seinen Namen zu recht.

Bereits in unserem Beitrag „Wie die Hotels früher hießen“ (Dezember 2012) erwähnten wir das Hotel Hochstein, heute Hotel Am Bayrischen Platz. Hier hat Karl Marx einst mit einer seiner Töchter Quartier genommen. Wir zitieren von der Internetseite der historischen Herberge: „Eine Tafel an der Hauswand macht darauf aufmerksam, dass im September 1874 ‚Karl Marx, der Begründer des Wissenschaftlichen Sozialismus, als Gast von Wilhelm Liebknecht hier weilte‘. Das Karl-Marx-Zimmer ist heute eines der 32 stilvoll eingerichteten Zimmer des Hotels.“ Die Tafel befindet sich am Hoteleingang.

Eins müssen wir allen Nichteingeweihten noch verraten: Die Knolle war ein rustikal gehaltener Versorgungsbetrieb für Hungrige und Durstige, das Restaurant Stein, das heute ihren Platz einnimmt, guckt um einiges schicker aus der Wäsche. (Das S in seinem Logo erinnert uns an die „Welle“ der Leipziger Notenspur, ist aber unserer Erinnerung nach älter.) Nachtrag im Sommer 2016: Mittlerweile ist auch das Restaurant Stein Geschichte und stattdessen ein Drogeriemarkt an Ort und Stelle aktiv.

www.page-x.de/saure-gurkenzeit-fur-leipziger-gurkenfabrik
www.hotel-bayrischer-platz.de

Leserbrief von Wolfgang Müller am 09.08.2014 in der LVZ: „Zum Abriss der ehemaligen Konservenfabrik Schumann: Die besagten Gebäude wurden zwar von der Firma Schumann genutzt. Die Bausubstanz ist aber wesentlich älter. Es handelt sich um die Reste der ehemaligen Hauptwerkstatt der Sächsischen Bayerschen Eisenbahn, erbaut 1842 mit laufenden Erweiterungen. Im Jahre 1907 wurde diese Werkstatt nach Zwickau verlegt, ein Teil davon wurde aber weiter für Eisenbahnzwecke genutzt. Der andere Teil davon musste nach 1907 der Erweiterung des Bayerischen Bahnhofs für die Anlage der Bahnsteige 1 bis 3 weichen. Das hatte den heute wie abgeschnitten aussehenden Zustand zur Folge. Damit verschwinden nun die letzten Werkstattgebäude aus der Anfangszeit der Eisenbahn in Leipzig. Alle anderen, heute noch vorhandenen, sind wesentlich jünger.“

Nachtrag im Dezember 2018: Die Ruine von Gurken-Schumann steht immer noch.

siehe auch unseren Beitrag „Sieben schöne alte Bilder“ (Juni 2023)