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In der Plagwitzer Brauerei

In der Plagwitzer Brauerei

Nachdem wir eine alte Bierpostkarte*, auf der sich sieben Leipziger Brauereien gemeinsam präsentierten, erworben hatten, interessierten wir uns für den aktuellen Stand von Hopfen & Malz in unserer Stadt. Elf große und kleine Brauereien sind im Augenblick hier aktiv, unter ihnen die Plagwitzer Brauerei. Jakob Treiges Ein-Mann-Betrieb hat sich in der Klingenstraße 22 niedergelassen, historisch gesehen in Kleinzschocher, gegründet wurde das junge Unternehmen jedoch 2019 in der Markranstädter Straße – und die gehört fast noch zum alten Plagwitz (die Flurgrenze verläuft zwischen ihr und der Naumburger Straße**; heute reicht der Stadtteil bis zur Antonienstraße und schließt auch die Klingenstraße 22 mit ein).

Jakob, geboren und aufgewachsen in Berlin, kam über Umwege zu seiner jetzigen Tätigkeit. Zunächst befasste er sich in Bayreuth mit der Transformation postsozialistischer Gesellschaften, was heißt, dass er unter dieser Überschrift Geografie, Ethnologie und Volkswirtschaftslehre studierte. Exkursionen führten ihn damals u.a. ins beispielhaft transformierte Leipzig sowie in der Freizeit in das von unzähligen Kleinbrauereien geprägte Umland seiner Studienstadt. Beides sollte dauerhafte Spuren hinterlassen. Nach dem Studium nämlich ließ sich Jakob zum Brauer ausbilden und erlebte dabei den abwechslungsreichen und alles umfassenden Arbeitsalltag einer bayrischen Familienbrauerei.

Anschließend arbeitete er auf Kreuzfahrtschiffen in dort installierten Hausbrauereien und, wenn er nicht auf See war, in Krostitz. Inzwischen war der Berliner nach Leipzig gezogen, wegen vieler Freunde, die hier schon wohnten, und wegen der Exkursionen seiner Studienzeit – unsere Stadt hatte Eindruck auf ihn gemacht. Die nahgelegene Krostitzer Brauerei jedoch wurde ihm schnell zu groß. Je größer ein Betrieb ist, desto ausgefeilter ist die Arbeitsteilung, was Eintönigkeit zur Folge haben kann. Jakob wollte es wie in Bayern mit allem Drum & Dran, und so baute er sich seine eigene Brauerei auf, die Plagwitzer Brauerei.

In der sind sein technisches Verständnis, sein handwerkliches Können und sein Vorstellungsvermögen gefragt. Hier wählt er die Zutaten aus, wuchtet eigenhändig Fässer, Flaschen und auch Kisten voller Treber (Braurückstände, die verbacken oder verfüttert werden) hin und her, kümmert sich um den Vertrieb und steht hinter der Theke, von der aus es keine drei Schritte in die eigentliche Produktionsstätte sind. Neben dem Kessel Buntes (Di-Fr 11-14.30 Uhr, Mi-Sa ab 18 Uhr, So ab 10 Uhr), wie das Lokal in der Klingenstraße 22 heißt, beziehen 15 weitere Gaststätten Jakobs Bier. Erster Abnehmer war das Café Westen am Lindenauer Markt.

Und als wären Brauerei und zugehörige Kneipe nicht schon faszinierend und sympathisch genug, gesellen sich an Ort und Stelle circa zehn selbständige Herstellerinnen und Hersteller regionaler Lebensmittel hinzu, das Kesselkollektiv, zu dem u.a. Rasselbock-Catering, Rosenberg-Delikatessen und Manusso-Eis gehören. Sie alle teilen sich Produktions-, Lager- und Gasträume mustergültig wie eine freundliche WG, in der nicht gewohnt, sondern gearbeitet wird. Jeweils am ersten Freitag im Monat, von 14 bis 18 Uhr, findet ein Werksverkauf statt, könnt Ihr je nach Wetter im oder vor dem Kessel Senf, Öl, Bier, Marmelade, Schnäpse, Liköre und einiges mehr erwerben – neue Leipziger Spezialitäten***.

Ein Wort noch zum gemütlichen Lokal: In dem bilden Bänke aus Bayern, Hocker aus Thüringen und Lampen aus Leutzsch eine gelungene Einheit. Die Leutzscher Lampen stammen aus der Bauhaus-Zeit und von Körting & Mathiesen, ihr in interessierten Kreisen geschätzter Markenname lautet Kandem, abgeleitet von K and M. Der Schriftzug Körting & Mathiesen**** prangt bis heute von einer Wand in der Georg-Schwarz-Straße, kurz vor der Brücke nach Böhlitz-Ehrenberg. Jakob sammelte die Leipziger Lichtspender erstaunlicherweise bereits in seiner Berliner Jugend. Der Vater war Stadtplaner und wusste seinen Sohn früh für Architektur und gelungene Details zu begeistern.

* siehe unseren Beitrag „Es waren einst sieben Brauereien“ (November 2021)
** siehe unseren Beitrag „Die Grenzen von Plagwitz“ (Dezember 2014)
*** siehe unseren Beitrag „Leipziger Spezialitäten, Teil 3“ (Februar 2020)
**** siehe unseren Beitrag „Leipziger Giebel II“ (November 2014)

Ergänzung: „Als nächste neue Brauerei hat die Kokille in der Karl-Heine-Straße aufgemacht“, schrieb uns Tobias. Nr. 12. Danke!!! Siehe auch unseren Beitrag „Bier aus der Kokille“ vom Dezember 2022.