Ein ganzes Buch über eine Straße hat Ulrike Kohlwagen geschrieben. Es behandelt die Geschichte und Bebauung der Kirschbergstraße, die sich vom Anker bis zur Schwimmhalle Mitte erstreckt und unüblicherweise von außen nach innen nummeriert ist. Normalerweise werden die Hausnummern in Leipzig genau andersrum vergeben, vom Stadtzentrum in Richtung Stadtgrenze.
Die Kirschbergstraße schaut auf eine Vergangenheit als Teilstück der alten Poststraße zwischen Halle und Leipzig zurück und war lange Zeit Möckernsches Gemeindeland, genutzt als Weide für die Tiere und zum Trocknen des Heus (daher vielleicht auch der Name des angrenzenden Heuwegs). Außerdem war sie unter den Fuhrleuten unserer Vorväter bekannt als der Berg bei Möckern.
1817 kaufte die Gemeinde Möckern in Ehrenberg (bei Böhlitz) 300 Kirschbäume, um diesen Berg neu zu bepflanzen. 1821 tauchte erstmals die Bezeichnung Kirschberg in den Akten auf. 1842 wurde das Gelände unter den Möckernschen Gutsbesitzern aufgeteilt und ab 1843 errichtete man erste Häuser in den entstandenen Parzellen. Ulrike Kohlwagen widmet sich nach einer ausführlichen und lesenswerten Einführung der Historie jedes einzelnen Gebäudes in der Kirschbergstraße.
Ein paar Beispiele: Die Kirschbergstraße 5 beherbergte bis 1990 die Gaststätte Sängerheim, die 7 u.a. einen Rundfunkmechaniker und die 13 von 1888 bis 1904 das Postamt Möckern. In der 29a befand sich einst die Gastwirtschaft zum Kirschberg, in der 31 von 1922 bis 2022 die Spedition Fabig, die hier 1927 sogar eine Tankstelle einrichtete und jetzt in der Georg-Schumann-Straße zu finden ist. Nun steht die 31 leer, auch die 33 vermittelt diesen Eindruck.
In der 37 wurde früher das Carola-Restaurant geführt, dann die Bodensteiner Bierquelle und zuletzt – bis 1992 – der Auenblick. Auch in der 41a konnte man einkehren, sogar vor nicht allzu langer Zeit, 2002 in den Bierpub Zur Säule, wenige Jahre darauf in eine Pizzeria und wenn wir uns nicht täuschen auch mal in eine Bar Liberal. Seit 2022 ist die vormalige Kneipe ein Friseursalon namens „All About Style“.
Kommen wir noch zur 63, das dort beheimatete Lokal hieß zuerst „Zum Trompeter“ und ab 1903 „Zum Bahnhof“, der Bf. Möckern bzw. die S-Bahn-Haltestelle ist nämlich auch in der Kirschbergstraße angesiedelt. Von all den Gaststätten gibt es keine mehr, dafür aber immerhin einen Mini-Markt, in dem man sich mit Getränken und Lebensmitteln versorgen kann.
Das 242 Seiten umfassende und unzählige historische Fotos beinhaltende Buch erschien vor wenigen Wochen im Achtner Media Verlag Leipzig (Böhlitz-Ehrenberg).
siehe auch unseren Beitrag „Aus der Möckernschen Geschichte“ (Februar 2022)
Nachtrag zur Kirschbergstraße 5/7: 1889 kaufte der Gohliser Brauereibesitzer Richard Oscar Johannes Nickau das Grundstück. Er nannte die dortige Gaststätte Zum Leipziger Kindl nach einer seiner Biersorten, einem Exportbier, schreibt Ulrike Kohlwagen auf Seite 130.