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„Authentisch, anständig und mega-charmant“

Authentisch, anständig und mega-charmant

Filmemacher Birk Poßecker ist durch den Leipziger Osten gezogen, hat in viele Gärten, Häuser und Läden hineingeschaut und mit allen möglichen Leuten gesprochen. Er läuft durch die Eisenbahn- und Dresdner Straße, ist unterwegs im Täubchenweg und der Theodor-Neubauer-Straße, besucht Wagenpark und Parkbogen und u.a. auch den Seniorentreff „Inge & Walter“. Dort wird zu „Summertime“-Variationen vom Klavier gemütlich Skat gespielt. „Worüber kann man am besten sprechen?“, fragt eine Anwesende in die Kamera und antwortet: „Über das, was man selbst erlebt hat. Und das ist oft sehr berührend.“

Andere sagen im Dokumentarfilm „Hütten sind für alle da“, dass der Osten dreckiger und authentischer sei, aber auch anständig und mega-charmant. Birk Poßecker begleitet nachtaktive Graffiti-Sprüher, kopfschüttelnde Müllmänner sowie ein paar junge Romantikerinnen auf das Dach der zu der Zeit noch nicht sanierten Polygraph- bzw. Karl-Krause-Werke in Anger-Crottendorf. Ein fideler Rentner erzählt: „Es ist Mode, den Plattenbau schlecht zu machen.“ Er aber wohne in einem und das gerne. Ein gutgelaunter Badewannenkapitän wiederum bringt in aller Ruhe ein lange Zeit verwahrlostes Bahnwärterhäuschen auf Vordermann und wirkt glücklich dabei.

Im Film besuchen wir einen Box-Club für Kinder, Jugendliche und Erwachsene. Alle dort fühlen sich „wie eine Familie“. Es geht zum Nachbarschafts-Fernsehsender Hitness, in den Club Goldhorn, das Café Bubu und mit dem Zündwerk aus den alten, vom Vermieter gekündigten Räumen in Reudnitz in neue in der Hans-Poeche-Straße. Sogar der 2023 plötzlich verstorbene Wortblende-Blogger Harald Stein ist noch einmal zu erleben, während einer Stadtführung durch Neustadt-Neuschönefeld. Auch einen Rückblick in die 1980er Jahre integriert Birk Poßecker in seine Dokumentation. „Leipzig in Trümmern“, singt bzw. schreit ein wütender Punk dazu in hiesiger Mundart.

Der Filmemacher zeigt sich als zurückhaltender Beobachter, der unzählige Leute ins Bild holt und zu Wort kommen lässt. Einseitigkeit kann man ihm nicht vorwerfen, Ahnungslosigkeit ebensowenig, so wird das Thema Gentrifizierung zum Beispiel differenziert angesprochen und die um circa 2000 bis 2010 verpasste Chance, hier im Vergleich zu heute billig ganze Häuser zu erwerben und genossen- oder auch nur gemeinschaftlich zu nutzen, thematisiert. Und der Titel „Hütten sind für alle da“ erklärt sich im Laufe des Zuschauens etwas anders als vermutet.

Der unserer Meinung nach ideale Vertreter des Genres Dokumentarfilm, übrigens komplett mit Musik aus unserer Stadt unterlegt, läuft seit Mitte Juli in diversen kleineren Lichtspielhäusern, am 5. September 2024 ist er passenderweise im Kino der Jugend im hinteren Teil der Eisenbahnstraße zu sehen (leider ausverkauft), außerdem am 3.9. im LuRu-Kino, am 4.9. im Ost-Passage-Theater (ebenfalls ausverkauft), am 5.9. zusätzlich im Cineding, am 6.9. vor der Plagwitzer Markthalle, am 7. und 8.9. in der Kinobar Prager Frühling usw. usf.. Wenn wir könnten, würden wir ihn fürs große Festival DOK Leipzig (28.10.-03.11.2024) nominieren.

Weitere Termine findet Ihr hier: huettensindfueralleda.de

Bis auf das eigene Kino-der-Jugend-Foto von 1992 stellte uns Birk Poßecker das gesamte Bildmaterial zur Verfügung. Herzlichen Dank und viel Erfolg!