Kurz vor der Brücke, die Leutzsch mit Böhlitz-Ehrenberg verbindet, biegen rechts von der Georg-Schwarz- erst die Karl-Schurz- und kurz darauf die Philipp-Reis-Straße ab. Und genau dort gehört ein kleines Karree zum Bestand der Baugenossenschaft Leipzig (BGL). Dieses Karree zeichnet sich durch geheimnisvollen Bauschmuck in Sgraffiti-Technik aus. Dargestellt sind offensichtlich Szenen aus der Leutzscher Ortsgeschichte und solche aus der Bauzeit der miteinander verbundenen Mehrfamilienhäuser.
Schaut man im Internet nach passenden Ereignissen zu den gezeigten Jahreszahlen, findet man zumindest auf Anhieb nichts. Auch die freundlichen Leute von der BGL konnten keine Erklärungen liefern, schickten uns aber ein sehr interessantes Buch zur Geschichte ihrer Genossenschaft. In dem finden sich immerhin Informationen darüber, wann die entsprechenden Häuse errichtet worden sind: 1936. Bauherr war der Bauverein zur Beschaffung preiswerter Wohnungen, Vorgänger der BGL.
Konkret zu sehen sind die Jahreszahlen 991, 1641 und 1700. Zu vermuten ist, dass sich die 991 auf Ausgrabungen bezieht oder die Ersterwähnung. Auf der Suche nach einer Erklärung für die 1641 lasen wir auf Wikipedia über die Geschichte von Leutzsch: „Im Dreißigjährigen Krieg brannten schwedische Truppen das Dorf nieder.“ Das Bild zum Jahr 1700 sieht hingegen wieder friedlich aus.
An Berufen werden die wohl ursprünglich hier ansässigen Fischer, Bauern und Jäger gezeigt sowie aus der Gegenwart der Bauzeit ein Industriearbeiter mit einem Planer oder Ingenieur und außerdem eine Mutter mit Kind.
Weitere Leutzscher Sgraffiti seht Ihr in der Georg-Schwarz-Straße (mit Rückseite in der Bischofstraße), der William-Zipperer- und der Sattelhofstraße. Mit hoher Wahrscheinlichkeit stammen sie alle aus den 1930er Jahren, zum Teil werden genauere Daten genannt, eine 1936 in der Bischofstraße und eine 1939 (mit Künstlerkürzel WF) in der William-Zipperer-Straße.
Wir aber schwenken zurück zur BGL und dem erwähnten Buch „100 Jahre Baugenossenschaft – Gemeinsam bauen, sicher wohnen“. Das beginnt mit der Gründung des Bauvereins zur Beschaffung preiswerter Wohnungen im Januar 1898 mit einem Startkapital von 16 Mark. Die drei dafür notwendigen Versammlungen fanden in der „Bauhütte“ statt; eine Gaststätte solchen Namens existiert bis heute in der Könneritzstraße.
Schon im Oktober 1899 entstanden die ersten Bauvereins-Häuser in Kleinzschocher in der Gießer- und Antonienstraße sowie in Sellerhausen in der Brandiser Straße. Anschließend konzentrierte man sich auf Schönefeld – in Zusammenhang mit der geplanten Errichtung des Bahnpostamtes in der Rohrteichstraße – und auf den vorausschauenden Erwerb von bezahlbarem Bauland in verschiedenen Leipziger Stadtteilen. Leutzsch taucht in der Liste der BGL-Bauten erstmals 1927 auf (Heimteichstraße 25-33).
Herzlichen Dank an Silke Frötschner!
Nachtrag: Stephan vermutet, dass das Motiv mit der Jahreszahl 1700 das Weiße Haus zeigen dürfte, welches einst im heutigen Park am Wasserschloss stand. Danke für den Hinweis! Das könnte passen.