Schöne Plätze

Um neun in der Stadt

Um neun in der Stadt
Frühstückerinnen am Markt (vorm Spizz)
Frühstückerinnen am Markt (vorm Spizz)

Anstatt abends um acht solltet Ihr mal morgens um neun in die Stadt gehen. Da kommt Ihr Euch vor wie die Touristen! Stimmt, nicht jeder kann das von der Arbeit her möglich machen, aber einmal vielleicht doch, zum Beispiel wenn Ihr Spätschicht habt, Haushaltstag oder einen Termin im Rathaus (um Eure Fahrerlaubnis für vier Wochen dort zu hinterlegen).

Morgens früh um neun findet Ihr freie Parkplätze und die Läden geschlossen, dafür sind Lieferfahrzeuge unterwegs, Bauarbeiter und selbständige Postboten. Es gibt noch keine Junggesellen- und -gesellinnenverabschieder auf den Straßen, kein Gewühl und kein Geschrei, dafür halten die ersten Innenstadt-Hotelbewohner, ausgerüstet mit Reiseführer und Fotoapparat, Ausschau nach Leipziger Lerchen – am Himmel.

Das Barfußgässchen ist menschenleer und um die Ecke, vorm Café Madrid, stehen die Stühle um diese Zeit gestapelt. Wir laufen kreuz und quer und setzen uns schließlich vors Café Stein. Zwei gemütliche Leipziger Witzbolde haben schon volle Teller auf dem Tisch – auf Nachfrage erfahren wir, dass sie Riesa frühstücken. Unsere Wahl fällt auf Halle und Jena. Seit Jahren lächeln wir über das Schild mit den Städtenamen-Frühstücksangeboten, jetzt wird getestet!

Und da wir die Namenswahl so originell finden, zitieren wir aus der Karte: Borna – Studentenfrühstück, Weimar – Französisches Frühstück, Halle – Klein & süß, Oschatz – Fitnessfrühstück, Jena – Käsefrühstück, Riesa – Groß & herzhaft sowie Leipzig – Riesenfrühstück für zwei Personen. Es geht sogar noch weiter! Das Lokal führt außerdem Salate, die nach Leipziger Stadtteilen benannt sind: Grünau, Connewitz, Markkleeberg (ja, ist kein Stadtteil, sondern eine Nachbarkommune), Gohlis, Mockau und Paunsdorf. Erstaunlich: Letzterer ist der teuerste – Paunsdorf.

Wir jedenfalls genießen Käse und Süßes und haben nur eine Kleinigkeit auszusetzen: Die Brötchen sind nicht vom handwerklichen Bäcker, sondern vom industriellen. Während des Frühstücks kann man prima Touristen beobachten, sie laufen zwischen Markt und Riquethaus hin und her – man erkennt sie. Zwei setzen sich in unsere Nähe, englischsprachige. Worauf unsere Riesa vertilgenden Nachbarn und wir vom „Great Angebot“ und „Tellern mit Breakfast obendrauf“ fabulieren. Leipziger sind nun mal hilfsbereit …