Schon in den spannenden 1990er Jahren versuchten wir, die vielen Veränderungen im Straßenbild fotografisch festzuhalten. Nach getaner Arbeit verstauten wir die Bilder mitsamt ihrer Media-Markt-Tüten in Postkisten und verloren nach und nach die Übersicht. Das hat aber auch sein Gutes, so können wir uns heute selbst überraschen, wenn wir im Schrank kramen und eine Tüte nach der anderen öffnen. Ein paar Aufnahmen aus unseren Kisten und Kartons sind mittlerweile richtig interessant geworden, unter anderem die vom Kaufhaus Topas, erbaut als Konfektionshaus Ebert, heute Commerzbank-Filiale. Auf dem Banner an der Fassade wird „Top-Mode“ angepriesen und nebenan in der Klostergasse saniert (Café Madrid, Paulaner).
In Barthels Hof wollten wir damals „Die gute Küche“ und „Best gepflegtes Bier“ vorm Vergessen bewahren und am Centrum-Warenhaus, später Karstadt, war seinerzeit klar, dass die Namensänderung bevorsteht und die Leuchtwerbung nicht mehr lange am Gebäude bleiben wird. Auch die Tage des Obst-und Gemüse-Marktes nebenan („Markt aktuell“ laut Foto), an der Ecke von Petersstraße und Preußergässchen, heute P&C, waren gezählt, während dem Messehaus am Markt wohl noch nicht die Abrissbirne drohte, das Restaurant „Stadt Kiew“ jedoch seiner Schließung entgegengesehen haben dürfte. Unsere Fotos sind von 1991/92.
Zum Messehaus am Markt vermerkt der „Architekturführer DDR – Bezirk Leipzig“ aus dem Jahr 1976: „1961-1963, Arch. F. Gebhardt u. Kollekt. Buchmessehaus m. 5900 qm Ausst.-Fl., im Erdgeschoss Restaurant ‚Kiew‘. Stahlskelettbau m. Spannbetondecken, Außenstützen in Betonwerksteinverkleidg., Brüstungen in Steinzeugmosaik, Walmdach. Einordnung von Arkaden am Markt, m. Anschluß an Passagensystem in d. Petersstr.“ Auch Wolfgang Hocquéls Buch „Leipzig – Baumeister und Bauten“ würdigt die Immobilie und dass bei ihrer Errichtung Leipziger Bautraditionen (Arkaden, Passagen) beachtet worden waren.
Zuguterletzt erinnern wir uns an den taubenverschissenen Innenhof oder Lichtschacht in der Hainstraße (östliche Seite, circa in der Mitte) sowie daran, dass wir ihn unter Negierung großer Ekelpickelgefahr im April 1991 betraten und ablichteten. Uns interessiert: Gibt es diesen Hof noch und wenn ja, wie sieht er heute aus?
Nachtrag am 16.08.2023: Heiner bringt Licht in dunkle Höfe: „Wenn die Fotos wirklich in der Mitte auf der Ostseite der Hainstraße entstanden sind, kann es sich eigentlich nur um das Haus von Bäcker Goldschmidt (bin ich in den 70ern mit’m Roller Brötchen holen gefahren) handeln. Die Hinterhöfe gen Markt waren größer, die gen Brühl in der Regel Passagen mit Café Wilhelmshöhe, Fledermausbar oder weiter unten so ’ne Tanz- oder Weinbar … Danach kommt dann das Hotel Pologne – und da waren die Höfe schon wieder größer. Aber eigentlich bin ich mir ziemlich sicher – irgendwie habe ich diesen verranzten Aufzug noch in Erinnerung. Außerdem spricht die Renaissance-Architektur der Fenster dafür.“ Danke!!! Heiner tippt also auf die Hainstraße 6/8, deren Seiten- und Hintergebäude in den 1990er Jahren abgerissen wurden.
siehe auch unsere Beiträge „Alte Bilder I – XII“, „Leipziger Wundertüte II“ sowie demnächst „Aus Kisten und Kartons II“, wo es nach Lindenau und Möckern gehen wird