Historie

Beim Papser großer Rummel

Papser 2018
Papser im Februar 2018 (Foto: Harald Stein)
Papser im Februar 2018 (Foto: Harald Stein)

(A.H./H.St.*) Lang ist es her, dass im Papser das Tanzbein geschwungen und opulent geschwoft wurde. Die Amüsement-Gemächer in der Kirchstraße 85 (heute Hermann-Liebmann-Straße), Ecke Ludwigstraße waren eine Institution im Ostteil der Stadt und werden junggebliebenen Zeitzeugen noch gut in Erinnerung sein. Hat sich aber eigentlich mal jemand gefragt, wie der Name Papser zustande kam?

Das mittlerweile sehr schön sanierte Eckgebäude wurde vermutlich um 1875 errichtet. Vielen dürfte es auch durch die ebenfalls aufpolierte Giebel-Reklame für Bier aus Markranstädt** bekannt sein. Bald nach Fertigstellung des Hauses begann eine über 100 Jahre andauernde gastronomische Nutzung. Ein erster Name für die dortige Gaststätte findet sich im LAB (Leipziger Adressbuch), demnach trällerte die verehrte Kundschaft von mindestens 1897 bis 1898 in der Sängerhalle. Um 1899 sorgte der Wechsel des Tresenbetreibers für eine Änderung der Lokal-Titulierung, nun wurde bis nach 1900 in der Burg Wettin gezecht und gezockt.

Anschließend taucht wieder der Ausdruck Sängerhalle auf, was sich spätestens mit einer Anzeige von 1905 belegen lässt. Inhalt ist der Verkauf des Rossfleisch-Speisehauses und Restaurants zur Sängerhalle von Emil Schellenberger an Carl Uhlitzsch. Offen bleibt, ab wann die Restauration den Titel Sängerhalle zurückerhielt. Schellenberger war übrigens kein Unbekannter in der Gegend, es betrieb in der nahegelegenen Kirchstraße 80 eine Roßschlächterei und Wurstfabrik mit sieben Filialen in verschiedenen Stadtteilen. Das wohl recht erfolgreiche Arbeiten seiner Firma verleitete den Inhaber 1904 nicht nur zum Kauf der Immobilie Kirchstraße 85, sondern beflügelte ebenso dessen gastronomische Ambitionen. Nachfolger Uhlitzsch betrieb das Wirtshaus schließlich ab März 1905 als Schellenbergs Rossfleisch-Speisehaus weiter.

Die Sängerhalle existierte bis Ende 1909. Dann ging diese Bezeichnung auf eine Lokalität in der Kirchstraße 68 über, welche dort bis nach 1949 als Durstlöscher fungierte. Ab Dezember 1909 versuchte Robert Mühler in Nr. 85 mit seiner Ost-Schänke den Stammtischlern die Taler aus der Tasche zu ziehen. Laut Wirtschaftsnamen-Verzeichnis im LAB wurde der Begriff bis mindestens 1913 verwendet. In der Zeit taucht aber auch schon der Wortlaut Papser auf. Wirt Mühler war nach zweijähriger Zapfzeit des Kredenzens müde und pensionierte sich selbst.

Da passte es gut, dass im Laufe des Jahres 1911 Max Wreesmann-Ritter das Feilbieten von Gaumenfreuden als fade erachtete, sich von seiner Kolonialwarenhandlung in der Ludwigstraße 79 lossagte und in den geselligeren  Tätigkeitsbereich eines Schankwirts überwechselte. Und eben dieser Wreesmann-Ritter warb Silvester 1911 in einer Offerte: „Achtung! Beim Papser grosser Rummel!“ Da haben wir nun den Debütgebrauch dieser mysteriösen Buchstabenreihe und wissen dank Walter Rothschuh und Harald Stein, dass „Papser“ vor 1918 das Soldatenwort für Zivilist gewesen ist**. Auf diese Weise könnte die Sängerhalle vom Papser verdrängt worden sein, wann genau der Namenswechsel stattfand ließ sich noch nicht herausfinden. Intoniert wurde trotzdem noch lange Zeit, die Wände der Gaststätte zum Papser wurden bis nach 1966 temperamentvoll zum Dielentanz beschallt. Dann war Schluss.

Nun war eine stilvollere Aufnahme von Nahrungsmitteln in den mittlerweile vergilbten Mauern angedacht, die neue Epoche kulinarischer Genüsse kam im maritimen Ambiente daher. Ende der 1960er Jahre eröffnete das Restaurant Achtern Strom. Ausgestattet im Seemannsstil samt charakteristischem Fisch-Bukett konnten die seinerzeit am Globetrotten gehinderten Gäste mit der Mix-Grill-Platte nach Matrosenart oder dem Saßnitzer Seemannsspieß zumindest auf diese Weise eine Prise Weite der sieben Weltmeere goutieren. Bis Mitte der 1980er Jahre ruderte man sich als Nachtclub mit Neptun- und Nixen-Bar an die Spitze der im Leipziger Osten nur rudimentär vorhandenen Armada populärer Vergnügungsmöglichkeiten. Leider wurde nach der Wende 1989 abgewrackt, der DDR-Lust-und-Laune-Kreuzer verkümmerte zur Imbiss-Schute.

* dieser Beitrag ist ein Gemeinschaftswerk von Andreas Hönemann, Harald Stein vom Blog Wortblende (dort ist er um einiges ausführlicher gehalten sowie reicher bebildert) und uns. Herzlichen Dank an die Kollegen!
** siehe auch unsere Beiträge „Schnell noch hin!“ (April 2014) und „Kneipenrundgang Ost“ (November 2014)