Ein ruinöses Bild gab die Maschinenfabrik Preuße & Co. AG in der Zweinaundorfer Straße 74 zu Lebzeiten des Technoclubs Eastside in den Neunziger Jahren ab, heute befindet sich auf dem später beräumten Grundstück eine Tankstelle. Eastside steht auf einem unserer Fotos sogar am Tor (siehe den Roman „Als wir träumten“ von Clemens Meyer).
Preuße & Co., 1883 gegründet, war eigenen Angaben zufolge die „Aelteste Falzmaschinenfabrik Deutschlands“ – Drahtseilheftmaschinen, Fadenheftmaschinen, Bogen-Falzmaschinen, Prospekt- und Briefbogen- Falzmaschinen, Zeitungs-Falzapparate u.a. werden auf einer im Internet zu sehenden Werbepostkarte offeriert. Die Kontaktadresse für Kaufinteressenten lautet Zweinaundorfer Straße 64. Möglicher Grund der Diskrepanz: In Leipzig wurden immer wieder Hausumnummerierungen vorgenommen*.
Die Polstermöbel-Werbung am Haus Zweinaundorfer Straße 78 ist der Sanierung zum Opfer gefallen, leider, denn sie war gut erhalten und hat uns immer begeistert, vor allem die weltstädtischen Vokabeln Chaiselongues und Klubmöbel. Der Tapezierermeister Johannes Thümmler unterhielt laut Wandbeschriftung Ausstellungsraum und Werkstatt in der Fran(c)kestraße 10. Benannt wurde die laut leipzig-lexikon.de im Jahr 1906 nach August Hermann Francke, der in Halle als Berühmtheit gilt (Franckesche Stiftungen) und in Leipzig einst studierte und habilitierte.
Und bei Polygraph alias Bubima alias Karl Krause war der großflächige Abriss schon gelaufen, man kann den Blick von der Zweinaundorfer bis hinüber zur Theodor-Neubauer-Straße über leeres Land gleiten lassen.
Nach diesen Bildern aus unserem eigenen Archiv haben wir in Gedanken lange gefahndet. Wir wussten, dass wir sie in den 1990er Jahren geknipst hatten (auf der Rückseite ist Januar 1996 vermerkt), aber nicht mehr, in welcher der unzähligen Tüten und Kisten sie lagern. Da hilft nur der Zufall – und er half! Leider haben wir die Aufnahmen damals auf mattem Papier entwickeln lassen, das gefiel uns, macht aber heute beim Scannen Spirenzchen.
Nachtrag 1 von Andreas: Tapezierermeister Johannes Thümmler eröffnete um 1927 im Hinterhaus Franckestraße 10 sein Geschäft, die Wohnung war in der Franckestraße 6. Im ersteren Gebäude werkelte der Meister etwa zehn Jahre lang, dann verlegte er seinen Betrieb um 1939 in die Zweinaundorfer Straße 8-10. Dort ist die Firma bis 1949 nachweisbar.
* Nachtrag 2 von Andreas: Die Hausnummern in der Zweinaundorfer Straße wurden 1930 teilweise modifiziert. Während man die Südseite mit den geraden Nummern komplett änderte, erhielten an der Nordseite mit den ungeraden Nummern nur die Gebäude zwischen der Einmündung der Karl-Krause-Straße (heute Theodor-Neubauer-Straße) und der Maschinenfabrik Karl Krause neue Nummern. Was die unterschiedlichen Nummern bei Preuße & Co. erklärt – bis 1930 Hausnummer 64, ab 1930 Hausnummer 74.
Nachtrag von Julius: Die hier beschriebene Gegend spielt auch in Clemens Meyers „Rückkehr in die Nacht“ (2013 neben „Im Stein“ erschienen) eine Rolle.
Vielen Dank an Andreas und Julius!