„Wenn man auf dem Augustusplatz steht und Richtung Alte Post schaut, sieht man, dass der Begriff Post durch ein Kom davor ergänzt wurde. Ich finde, auch dies ist ein Geheimtipp“, schrieb uns Anne vor wenigen Tagen. Sowie: „Mein zweiter persönlicher Geheimtipp ist die Absintherie Sixtina in der Katharinenstraße.“ Da gehen wir doch gleich mal auf die alte, eigentlich neue und dennoch ehemalige Hauptpost ein.
Wir kennen sie noch in Funktion, haben die schönen Treppen drinnen im Gedächtnis und das zumindest imposante Wandbild*. Auch die Schalterhalle an sich beeindruckte mit Größe und Klarheit. Leider kam die Deutsche Post (Heißt sie überhaupt noch so – oder mittlerweile nur noch DHL?) vor einigen Jahren auf den Dreh, dass sie ohne Postämter und die dortigen Angestellten mehr Gewinn machen kann. Seitdem wurde ein Amt nach dem anderen geschlossen, sogar die Hauptpost! Heute bringen und holen wir unsere Pakete in Supermärkten, Getränkeläden oder an Selbstbedienungsstationen. Eine Entwicklung wie bei der Deutschen Bahn, die kaum noch Bahnhöfe betreibt …
Zurück zur Hauptpost am Augustusplatz: Als Hauptpostamt 1 hatte es in den 1980ern in der Woche täglich von 8 bis 20 Uhr geöffnet und sonnabends von 8 bis 12 Uhr („Tourist Stadtführer-Atlas Leipzig“, 1981). Erbaut worden war es 1961-64 als siebengeschossiger Stahlbetonskelettbau an der Stelle der kriegszerstörten Hauptpost, erfahren wir im „Architekturführer Leipzig“ von 1976, der als Besonderheit erwähnt: „erste Aluminium-Vorhangfassade der DDR“.
Und in „Leipzig – Historische Straßen und Plätze heute“ (1979) lesen wir: „An der Einmündung des Grimmaischen Steinwegs stand das alte Postgebäude mit dem Poststall und der davor aufgestellten Postsäule.“ Geschildert damit wird die Situation um 1830. „Als 1836 der Bau eines (neuen) Postgebäudes in Leipzig erforderlich wurde, gab Geutebrück sein gewachsenes Selbstbewusstsein zu Protokoll … Am 14. Oktober 1838 wurde die Hauptpost feierlich eingeweiht“, schreibt Birgit Hartung in „Albert Geutebrück – Baumeister des Klassizismus in Leipzig“ (2003).
Noch einmal in „Leipzig – Historische Straßen und Plätze heute“ steht dann: „Dieser fein profilierte und gut ausgewogene Bau von Albert Geutebrück wurde 1881/84 nach Entwürfen des Architekten Bettcher im Sinne einer neoklassizistischen Auffassung geschickt verändert.“ Und: „… das Hauptgebäude am 4. Dezember 1943 vollständig zerstört“. Es folgten Neubau, Nutzung und schließlich die Aufgabe der Post, eine Weile wurden in ihr noch Parties gefeiert, jetzt soll es Pläne für einen Umbau zum Hotel geben.
Zu Annes zweitem Tipp: In der Sixtina, Katharinenstraße 11 (Fregehaus), haben wir auch schon mal Absinth getrunken, so richtig mit Feuer und Zucker, das ist allerdings eine Weile her. Wenn Ihr demnächst dort seid, schaut unbedingt in den blumenbestandenen historischen Hof! Die Absintherie findet Ihr hier nicht mehr, die ist inzwischen in der Sternwartenstraße 4 zu Hause.
Danke an die Blogger-Kollegen von Weltnest für das freundliche Zur-Verfügung-Stellen zweier alter Hauptpost-Ansichtskarten! Die dritte haben wir selber.
Nachtrag am 08.01.2014: „Hauptpost bekommt modernen Glasaufbau“, titelt die LVZ am heutigen Tag und berichtet vom „größte(n) Leipziger Bauprojekt in diesem Jahr“, ein „Wissenschaftscampus“ soll entstehen. „Die historische Aluminium-Vorhang-Fassade wird denkmalgerecht wiederauferstehen … Auch die Uhr unter dem Schriftzug ‚Post‘ kehre zurück“, erfahren wir. Außerdem ist die Rede von Studentenappartements und einer öffentlichen Panoramabar. Als Beteiligte genannt werden das Unternehmen KSW und die Architekten Fuchshuber & Partner. „Die Architektur der Schalterhalle wie auch der benachbarten Fernsprechhalle bleiben … für jedermann erlebbar“, wird KSW-Mann Jörg Zochert zitiert. Darauf sind wir gespannt.
Der Kreuzer zeigte sich schon am 1. Januar wenig begeistert: „Für das bestehende Gebäude bedeutet dies (gemeint ist das Aufstocken um zwei Etagen – G.L.) quasi eine Entkernung, nicht zuletzt wegen der veränderten Statik. Gleichzeitig beeinträchtigt die Erhöhung das Erscheinungsbild des Augustusplatzes. Ganz bewusst besitzt die Post einen zurückhaltenden, horizontalen Charakter, da sie der kurz zuvor entstandenen Oper nicht die Show stehlen möchte.“ Nachvollziehbar.
Nachtrag am 22.04.2016: Heute erfahren wir in der LVZ Neues sowohl zur Mockauer Post als auch zur Hauptpost – beide sind ehemalige. KSW hat das Gebäude am Augustusplatz an einen „süddeutschen Projektentwickler“ verkauft. Interessant u.a.: Anstelle des gerade abgerissenen Telegrafenamtes im Grimmaischen Steinweg baut Motel One sein drittes Haus in Leipzig und in die frühere Fernsprechhalle zieht eine „privat betriebene Mensa“ ein. Die Fertigstellung des ersten Baubschnitts ist für Mitte 2018 geplant.
* Nachtrag am 08.12.2016: „Thälmann-Bild in der Hauptpost freigelegt“, meldet die LVZ heute und zeigt das Werk Bert Hellers ziemlich großformatig. Seit 1964 bis zum Ende der DDR war es in der Paketschalterhalle (links vom Eingang) präsent gewesen, dann wurde es überstrichen. „Laut Matthias Bieger von der Denkmalneu-Gruppe aus Bad Heilbrunn, welche die Hauptpost Anfang 2016 erworben hatte, wurden nun extra drei Restauratoren engagiert, um das Thälmann-Bild fachkundig und behutsam freizulegen. In jedem Fall soll es künftig wieder im Gebäude zu sehen sein“, nehmen wir erstaunt zur Kenntnis.
siehe auch unseren Beitrag „Leipzigs alte Postämter“ (Mai 2024)