Im Kulturbund der DDR existierte eine Gesellschaft für Heimatgeschichte und in der wiederum eine Fachgruppe Stadtgeschichte Leipzig. Die gab Arbeitshefte heraus, im November 1986 war Redaktionsschluss für das Arbeitsheft Nr. 11, welches sich den Stadtteilen Dölitz, Plagwitz und Thekla widmete.
„Plagwitz gehörte flächenmäßig zu den kleinsten Vororten, die die Stadt Leipzig umgaben“, notierte Heinz Voigt in einer Zeit, in der er nicht wissen konnte, dass genau dieser Umstand die Immobilienhändler dereinst grämen würde. Denn Wohn- und Gewerberaum im Viertel verkauft und vermietet sich seit einigen Jahren so gut, dass die davon Profitierenden die Grenzen von Plagwitz als flexibel ansehen und hin und wieder in Richtung Lindenau oder Kleinzschocher verschieben. Heinz Voigt ahnte nichts davon, als er 1986 folgende Zeilen in die Schreibmaschine tippte:
„Das Flurgebiet wurde im Norden von der Kleinen Luppe, die nördlich der Plagwitzer Brücke (Karl-Heine-Straße) von der Elster abzweigt, begrenzt. Die Flurgrenze querte am Beginn der Erich-Zeigner-Allee die Philipp-Müller-Straße* und verlief dann entlang der Felsenkellerstraße und im Zuge der Karl-Heine-Straße fast geradeaus bis zum Plagwitzer Bahnhof. Die Grenze zu Kleinzschocher lag zwischen der Naumburger und Markranstädter Straße, und die östliche Grenze zu Schleußig wurde von der Elster gebildet. Der westlich des Bahnhofs gelegene kirchliche Friedhof gehörte ehemals zu Kleinzschocher. Nach Eröffnung dieses Friedhofs am 19. August 1885 kam jedoch dieses Flurgebiet an Plagwitz.“
Die einstige Dorf- und somit Hauptstraße des Gassendorfes Plochtewitz heißt mittlerweile Alte Straße. In der stehen sich das ehemalige Postamt und das ebenso ehemalige Rathaus Plagwitz („am 1. Oktober 1884 der Gemeinde zur Nutzung übergeben“) gegenüber. „Am 1. Mai 1884 erhielt Plagwitz ein Postamt …, das ab November im Plagwitzer Rathaus untergebracht war und sich seit dem 9. November 1889 in dem für Postzwecke erbauten Haus Weißenfelser/Ecke Alte Straße befindet“, schreibt Heinz Voigt.
Werden wir gastronomisch: Das Gosenschlösschen in der Alten Straße 6 gehörte dem Heimathistoriker zufolge zu den bekanntesten Lokalen im Stadtteil, hier schenkte man Döllnitzer Rittergutsgose aus. Anfang der 1950er Jahre aber sei die Gaststätte geschlossen worden, die charkteristische Gosenflasche (dicker Bauch, langer Hals) an der Fassade erinnert bis heute an die Vergangenheit. Gegenwärtig wird das „Schlösschen“ rekonstruiert, Gerüst und Planen verdecken den Bauschmuck zu großen Teilen. Die Alte Straße ist hier eher Gasse und wird in Richtung Karl-Heine-Straße zur leicht zu übersehenden Schlippe (= Fußweg, Durchgang).
Zuguterletzt noch das: Plagwitz war in den Achtzigern „Industrieballungsraum“ und darum „stark belastetes Gebiet“, als Großbetriebe genannt werden u.a. der VEB S.M. Kirow (Unruh & Liebig), VEB BBG (Bodenbearbeitungsgeräte), VEB Elguwa, VEB Industriearmaturen und Apparatebau (jetzt: Westwerk), VEB Buntgarnwerke und der VEB Polygraph (Buchbindereimaschinenwerke – Brehmer).
Die ehemalige Baumwollspinnerei allerdings steht auf Lindenauer Territorium wie auch die Schaubühne Lindenfels (sonst hieße sie ja Plagenfels). Der Felsenkeller hingegen befindet sich auf einer nach Lindenau hineinragenden Spitze Plagwitz, die bis zum Aufeinandertreffen von Zschocherscher Straße und Erich-Zeigner-Allee reicht, bis kurz vor die Kreuzung mit der Lützner Straße. Die eine Seite der Karl-Heine-Straße gehört zu Plagwitz (Noch Besser Leben, Westwerk), die andere zu Lindenau (La Cantina, Café Albert).
* Zschochersche Straße
** Originalanmerkung: „Stadtplan der Stadt Leipzig 1910; Das nördlich der Luppe gelegene Gelände der Pädagogischen Hochschule ‚Clara Zetkin‘ gehört auch zu Plagwitz“ (die ehemalige Max-Klinger-Schule)
*** der Broschüre „Leipzig-Südwest – Aus der Geschichte eines Stadtbezirkes“ (1989/90) entnommen