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Ein schönes neues Album

Maria Schüritz im Interview

Heute abend beginnt das idyllische Seeklang-Festival in der Lindenauer Wasserstraße. Organisiert wird es von der Leutzscherin Maria Schüritz – eine Liedermacherin betätigt sich hier mit Begeisterung und Können für ihre Zunft. Und sie hat gerade erst ein neues Album herausgebracht, auf dessen Cover man bis zur alten Leipzig-Information schwimmen kann: „Durch die Nacht“. Wir sprachen über selbstgebaute Instrumente, Gerhard Gundermann und kraftraubende Selbstdarstellung, aber auch über generationenübergreifende Parties und Projekte.

Wer sind Deine Mitmusiker auf dem Foto?
Auf dem Foto stehe ich zwischen dem Basser Johannes Bachmann (u.a. ehemals nurso-Chanson) und dem Schlagzeuger Per Winker, der schon lange in ganz Deutschland und international unterwegs ist. Aktuell spielt er z.B. auch in der Susanne Grütz Band und bei Karo Nero. Wir haben uns in der jeden Monat neu zusammengewürfelten Blues-Sessionband Turning Wheelz im Tonelli’s kennengelernt. Auf den letzten beiden Alben sind ja noch weitere wunderbare Musiker zu hören, und die Band könnte locker aus sechs bis acht Personen bestehen, aber es ist ja leider gar nicht so einfach, Bandkonzerte mit eigenen Songs finanziert zu bekommen. Und so hat sich letztes Jahr das Trio als Herzstück entwickelt. Wir haben im Sommer z.B. in Goßberg bei Döbeln gespielt. Das Publikum bestand v.a. aus einem internationalen Workcamp, verstand also die Texte nicht, tanzte aber sofort los. Die Leute, die wegen der Texte gekommen waren, ließen sich anstecken und wir hatten eine großartige generationenübergreifende Party. Genauso muss das sein!

Bist Du zufrieden mit der Publikums- und Kritikerresonanz auf Dein neues Album?
Mit dem Album „Durch die Nacht“ sind wir selbst erstaunlich zufrieden – das ist ja eher selten so. Mit meiner wunderbaren Band haben wir sehr unterschiedliche Songs aufgenommen – stilistisch geht es von Soulrock über Jazzpop und Spoken Word bis hin zu Songs, die von Global Music oder Trip Hop inspiriert sind. Inhaltlich dreht es sich u.a. um Fragen über die DDR und ihr Erbe, um Generationenkonflikte, politische Spannungen und Nachbarschaft. Es gibt auch schon ein paar schöne Kritiken im Kreuzer, im Schall-Magazin und vom Publikum, aber ehrlich gesagt, stellt sich bei mir gerade ein bisschen ein Don-Quichotte-Gefühl ein. Wir haben ein schönes Album gemacht, aber bekommt das überhaupt jemand mit? Ich bin zunehmend müde von der zeit- und kraftraubenden Selbstdarstellung auf Social Media, aber ohne scheint es momentan nicht zu gehen und auch die Medienlandschaft für unsere Genres wird ja immer weiter ausgedünnt. Darum danke schon mal für Euer Interesse!

Wer ist auf das wunderbare Cover mit der alten Leipzig-Information gekommen?
Sandra Wehlisch vom Atelier Zündwerk macht ja bekanntlich wunderschöne, oft retrofuturistische, Collagen. Seit Jahren hängt bei mir z.B. immer der Kalender „Planet Leipzig“. Schon beim vorherigen Album „Der Lack ist ab“ passte eine dystopische Grafik mit Fernseher inmitten von urigem Gewächs wunderbar zu jedem einzelnen Song. Da die beiden Alben Schwesteralben sind, sollte es diesmal ebenfalls eine von Sandras Collagen werden. Das Bild mit dem Schwimmbad passt auch wieder auf ganz unterschiedliche Art zu jedem einzelnen Song und jeder Song betont andere Teile des Bildes. In beiden Collagen steckt für mich drin, wie sehr gerade Vergangenheit, Gegenwart und Zukunftsvisionen subtil aufeinanderprallen und uns ordentlich durchschütteln.

Im Titel „Was war das nur für ein Land“ taucht der liedermachende Baggerfahrer Gundermann auf. Siehst Du ihn im gewissen Sinne als Vorbild für Dich an?
Mich hat der Kinofilm natürlich umgehauen. Wunderschön. Berührend. Aufwühlend. Allerdings höre ich selbst am liebsten Soul und Rock aus den 1970ern und bin natürlich mit den Fischer/Krug-Platten aus dieser Zeit aufgewachsen. Letztes Jahr war Ingo Paul von den Four Roses in unserer Reihe „Leipziger Liederladen“ zu Gast, spielte seine wunderbaren eigenen Blues-Songs und erzählte, dass die DDR-Rocker im Grunde alle Liedermacher waren, aber eben im Rock-Gewand. Da wurde mir klar, dass dieses kulturelle Erbe der Grund ist, weshalb ich mich einerseits an (afro-)amerikanischer Musik orientiere und gleichzeitig Wert auf Inhalte und poetische Texte lege. Ingeborg Freytag und ich arbeiten übrigens gerade an einem generationenübergreifenden Projekt über engagierte Frauen 1989/90, das Ende November in der Stadtbibliothek und im Musikinstrumentenmuseum zu erleben sein wird. In diesem Zuge interviewen wir Frauen und sammeln weiter Antworten auf die Frage „Was war das nur für ein Land?“

Organisierst Du eigentlich das Seeklang-Festival immer noch mit?
Ja, ich hab seit Beginn 2012 den Hut fürs Seeklang-Festival auf und so auch dieses Jahr. Es hat sich im Laufe der Zeit ein ganz wunderbares Team aus Künstlerinnen und Künstlern entwickelt, die zur Veranstaltung selbst mithelfen und die tolle Atmosphäre schaffen – u.a. einige aus dem monatlichen Singer/Songwriter-Treff in der Kulturwerkstatt KAOS. Ich selbst bin beim Festival vor allem im Hintergrund aktiv, moderiere an den Konzertabenden nur kurz zwischen den Auftretenden und spiele, wenn Zeit ist, auch was zur Open Stage.

Und weil wir einmal beim Fragenstellen sind: Was ist Upcyclophone-Musik, der Du Dich ja ebenfalls widmest?
Wenn ich nicht gerade als Songpoetin mit Gitarre, Loop-Station oder Band unterwegs bin, beschäftige ich mich mit meinem zweiten größeren Projekt, den Upcyclophonen. So nenne ich meine selbstgebauten Instrumente aus Restmaterialien, wie Plastikflaschen, Kaffeeumrührstäbchen, alten Haarklemmen, Metallfedern, Holzschubladen usw. Schon als Kind fand ich es faszinierend, aus „Müll“ Instrumente zu bauen, habe später auch meine ersten musikpädagogischen Schritte damit unternommen. Als 2021 das Co-Up-Festival auf dem Bürgerbahnhof Plagwitz (dieses Jahr 22.-25. August) nach Menschen suchte, die auf selbstgebauten Instrumenten Musik machen, hab ich „Hier!“ geschrien. Seitdem probiere ich stetig herum, experimentiere mit Materialien, Effektgeräten und Musikstilen. Es ist ein wilder Mix aus Songs, Spoken Word und experimenteller Musik. Mir ist es wichtig, dass meine Upcylclophone mit dem Fahrrad oder im Zug transportabel bleiben, deshalb sind sie auch eher handlich.

Kommende Termine:

Seeklang-Festival
12./13. und 20.07. Kulturwerkstatt KAOS

Grünauer Kultursommer
11.08. S-Bahn-Haltestelle Miltitzer Allee
05.09. Komm-Haus

Ostlichter Festival
06.09. Ostwache
15.09. Ludwigsgarten

www.maria-schueritz.de

siehe auch unseren Beitrag „Das Kopfkino der Maria Sch.“ (Mai 2017)