Im Achtner Media Verlag Böhlitz-Ehrenberg erschien vor nicht allzu langer Zeit ein Heft im Comic-Format, das sich der kurzen Geschichte des Wurzner Jazzklubs annimmt. Diese Geschichte währte lediglich von 1978 bis 1985. Einer, der dazugehörte, erinnert sich nun daran – Michael „Mitch“ Kupzok. Als Jugendlicher reiste er mit seinen Kumpels von Konzert zu Konzert, bis ihnen die Idee kam, selbst Konzerte zu veranstalten. Sie gründeten den Jazzklub 725, benannt nach der Postleitzahl ihrer Heimatstadt Wurzen, und durften den städtischen Jugendklub nutzen – auch für ihre Blues-Disko, zu der 300 bis 400 Leute anreisten, viele aus Leipzig. Gegen 18 Uhr begann in der circa eine halbe Stunde entfernten Kreisstadt das Gedränge, 23.30 Uhr fuhr die letzte S-Bahn in die Bezirksstadt zurück.
Sogar im Wurzner Dom waren die 725er aktiv, brachten dort Jazz und Orgel zusammen. Mitch und seine Freunde holten nicht nur die DDR-Größen des Genres, wie Sommer, Petrowsky oder Gumpert in ihre Stadt, sondern auch Musiker aus dem nichtsozialistischen Ausland, u.a. den japanischen Trompeter Itaru Oki. Dazu gehörten schon Findigkeit und Organisationstalent. Doch so richtig passte der mittlerweile verschworene Haufen Musikfreunde den Leuten aus Verwaltung, Polizei und FDJ nicht in den Kram. Dass sie auch dem Schriftsteller Erich Loest und der Liedermacherin Bettina Wegner – Oppositionellen – Publikum zuführten und an DDR-Feier- sowie Wahltagen „physisch und psychisch“ nicht teilnahmen, hatte Folgen: Der Jazzklub 725 wurde staatlicherseits aufgelöst.
Der genannte Grund dafür mutet kurios an. Die Wurzner hatten während einer Veranstaltung die Schallplatte „Mit gelben Birnen“ des Sogenannten Linksradikalen Blasorchesters, einer Spontiband aus Frankfurt am Main, abgespielt. In einem Titel waren mitten im Jazz Bruchstücke der Internationale, der Nationalhymne der BRD und der Erkennungsmelodie der Tagesschau zu hören. Das stieß den zuständigen Organen wie Majestätsbeleidigung und Feindpropaganda in einem auf, obwohl es ja eine Verhohnepiepelung der westlichen Institutionen sein sollte und die linke Combo den Zerfall des Kapitalismus besang – Mitchs Argumentieren aber half und nützte nichts mehr.
Erzählt wird all das mit Hilfe vieler Originalfotos und -dokumente, welche Beate Fahrnländer um stimmungsvolle Bilder im realistischen Comic-Stil bereichert. Die Illustratorin war, wie wir auf Seite 44 sehen, als junge Frau selbst zu Gast im Wurzner Jazzklub. Sie stammt aus Leipzig und ging 1988 in den Westen. Michael Kupzok, geboren 1956 in Wurzen, wohnte zur Zeit, in der diese Geschichte spielt, im Leipziger Osten und arbeitete bei der Bahn in Engelsdorf.
Zuguterletzt nutzen wir die Gelegenheit, ein paar eigene Wurzen-Fotos aus unserem Archiv zu zeigen, immerhin drei Stück aus den beginnenden Neunziger Jahren sowie zwei von 2015, das originelle Hauszeichen eines römischen Soldaten (?), der in seinen Armen ein weißes Kaninchen hält, und das Aufmacherbild einer gemütlichen Kleinstadt.