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Gewindebolzen aus Gohlis, Teil 3

Gewindebolzen aus Gohlis

Nach eisernen Puppenbetten* in unzähligen Varianten und platzsparenden, weil zusammenklappbaren Anglerstühlen** produzierte der metallverarbeitende Familienbetrieb von Richard bzw. Erich Kittel nach 1945 Havarieteile für die Braunkohlenförderung im Leipziger Umland und Ersatzteile für die hiesige Straßenbahn. „Alles in großen Serien“, wie der heutige Chef Hans-Werner Trapp sagt.

Seine Frau Eva stammt aus der Kittel-Familie. Ihr Ururgroßvater hatte 13 Kinder, alles Söhne. Der jüngste war Evas Urgroßvater und Siebmachermeister in Wettin***, also auch schon Metallverarbeiter wie sein Sohn Richard Kittel, dessen Sohn Erich Kittel und schließlich Erich Kittels Schwiegersohn Hans-Werner Trapp.

Im Hof der Mottelerstraße 7, dort wo früher die Puppenbetten hergestellt wurden, fertigte Hans-Werner in den 1980er Jahren zusätzlich Hauptritzel für Angelrollen sowie Ersatzteile für die russischen Automarken Lada und Moskwitsch, u.a. Gewindebolzen für deren Motoren. Auslöser war, dass sich die DDR „störfrei“ machen wollte von sowjetischen Lieferungen, die nicht immer pünktlich und in der gewünschten Qualität eintrafen.

Die Bolzen mussten nach Berlin, wohin eine Auto-PGH aus dem Leipziger Süden sie regelmäßig und freundlicherweise mitnahm. Hans-Werner wäre gar nicht in der Lage gewesen, die ganze Ware in die Hauptstadt zu bringen, er hatte keinen Transporter (Barkas o.ä.).

Dafür haben Eva und er jede Menge interessante Erinnerungen. Drei davon bringen wir hier in kurzer Form: 1) Großvater Richard Kittel z.B. pflegte selbstironisch über sich selbst zu sagen: „In der Woche Kittel, am Wochenende Frack“. 2) Vater Erich Kittel wurde in den 1950ern dank des Einsatzes von Arno Krebs**** („Ein feiner Mann!“) in die Handwerksrolle eingetragen und mit seinem Betrieb nicht mehr wie zuvor als Industrie angesehen, das hatte u.a. steuerliche Vorteile. 3) Eva wohnte, als sie und Hans-Werner sich kennenlernten, in Untergohlis, ihr späterer Mann und Kittel-Einsteiger in Obergohlis, was spaßeshalber noch heute betont wird; Grenze war die Georg-Schumann-Straße.

Nach der Wende, erzählt Hans-Werner, musste modernisiert werden, um den Anforderungen weiterhin Genüge tun zu können. Einige besonders alte Maschinen kamen ins Industriemuseum nach Chemnitz, im Gegenzug wurde einen neue CNC-Maschine angeschafft, ebenso musste ein neuer Kundenstamm aufgebaut werden. Dank „gegenseitiger Zufriedenheit“ läuft der Betrieb nach wie vor und lieferte schon Teile bis nach Asien.

* siehe unseren Beitrag „Puppenbetten aus Gohlis, Teil 1“ (Dezember 2022)
** siehe unseren Beitrag „Anglerstühle aus Gohlis, Teil 2“ (Januar 2023)
*** siehe unseren Beitrag „Ausflug nach Wettin“ (November 2015)
**** siehe unseren Beitrag „Von Arno Krebs bis Mikrosa“ (Dezember 2021)

Aus einem Schreiben des Braunkohlenwerks Borna vom 09.01.1987 an Hans-Werner Trapp: „Durch die extremen Witterungserscheinungen und geologischen Bedingungen sind die Störgeschehen im Bandbetrieb der Abraumförderbrücke AFB 17 – Großtagebau Espenhain – erheblich gestiegen. Zur Sicherung der täglichen Versorgungsaufgaben für die Kraftwerke, Brikettfabriken und kohleveredelnden Betriebe muß ein kontinuierlicher Produktionsablauf gesichert werden. Die Reparaturen an den Fördergurten können aber nur durch den verstärkten Einsatz von Bandklammern beherrscht werden. Es ist also notwendig, unbedingt kurzfristig Schrauben und Muttern in Größenordnungen zu fertigen. Wir bedanken uns im voraus für Ihre Unterstützung. Glück auf!“

Die historischen Fotos stammen aus einem Album der Familie Trapp. Danke!