Herr Dittrich vom Ring wohnte gar nicht am Ring, was klar war, sondern in der Gohliser Straße 4 (laut dem Buch „Leipzig und die Leipziger“ von 1906). Allerdings wurde ein Teil des Rings nach ihm benannt. Der Reihe nach: „Rudolf Dittrich, geboren am 2. Januar 1855 in Bärenwalde bei Kirchberg (heute beides im Landkreis Zwickau gelegen), war der Sohn des dortigen Kantors und Kirchschullehrers“, erläutert Julius Heiland 1921 in „Leipzig als Gross-Stadt“, einem weiteren interessanten Buch, aus dem wir nachfolgend zitieren. „Der Vater schickte ihn vom 10. Jahre an auf die Nikolaischule in Leipzig, und an der hiesigen Universität hat er auch von 1874 bis 1878 studiert. Bis 1884 blieb er im Justizdienst, wurde dann als Stadtrat nach Chemnitz berufen, wo er neun Jahre lang weilte. Die Stadt Plauen erkor ihn 1893 zu ihrem Oberbürgermeister, welches Amt er … bis 30. September 1899 bekleidete. Von diesem Zeitpunkt an war er Bürgermeister Leipzigs und als solcher von Anbeginn an die rechte Hand des Oberbürgermeisters Tröndlin.“
Nach dessen Tod im Jahre 1908 folgte er ihm als Oberbürgermeister (OBM) nach. „Unter der Verwaltung Dittrichs erreichte Leipzig wirtschaftlich seinen Höhepunkt. Zum größten Teile war das eine Folge natürlicher Weiterentwicklung, aber auch Dittrichs zielbewußte Leitung trug das Ihre dazu bei. … An größeren Gebäuden erstanden das neue Stadthaus, neben dem Rathaus gelegen und mit diesem durch einen Bogengang verbunden, vollendet im Juli 1911. Vorher schon, Ende August 1909, war der Handelshof … als das zweite große städtische Meßgebäude seiner Bestimmung übergeben wurden.“ Heiland nennt weiterhin u.a. das Elektrizitätswerk Süd, das Leihhaus am Yorckplatz, das Krankenhaus St. Georg („Musteranstalt im besten Sinne“) und das Stadtbad und kommt am Ende zu der Feststellung: „Alle hier aufgeführten Bauten werden weit übertroffen von einem staatlichen Gebäude: dem Hauptbahnhof. … Leipzig kann sich mit diesem Bahnhof, so wird wenigstens gesagt, rühmen, die größte Bahnhofsanlage der Welt zu besitzen.“
„… am 8. September 1917 zeigte der Oberbürgermeister Dr. Dittrich dem Rate an, daß Gesundheitsrücksichten ihn zwängen, seine Entlassung einzureichen.“ Ende des Jahres 1917 benannte die dankbare Stadtverwaltung den bisherigen Thomasring in Dittrichring um, der Namensgeber konnte sich noch zwölf Jahre daran erfreuen. Dittrichs politische Anschauungen, so schreibt Heiland resümierend, „waren etwas konservativ angehaucht, doch hat er sich hier in Leipzig allmählich auch liberalen Anschauungen angepaßt“.
Lauft Ihr heutzutage den Dittrichring entlang, passiert Ihr u.a. das im Sommer erst eröffnete Lokal „Lutter & Wegner“ (Nr. 8), dessen Berliner Stammhaus seinen Sekt mit E.T.A.-Hoffmann-Etiketten versieht. Der auf den Flaschenpapieren ebenfalls abgebildete Schauspieler Ludwig Devrient soll die Bezeichnung Sekt (zunächst Seck und Sect) erfunden haben und Wikipedia zufolge in Leipzig darauf gekommen sein, Schauspieler werden zu wollen. Wenige Meter weiter, bei Ganos (Nr. 6), gibt es nach Berliner Sekt endlich Leipziger Kaffee. Herausheben möchten wir abschließend das Haus Nr. 10, ein Werk des hiesigen Architekten Paul Möbius.
siehe auch unsere Beiträge „Die Kunsthandlung Beyer, Teil 1“ (Januar 2021), „Georgi vom Georgiring“ (Dezember 2020) und „Durch die Promenaden“ (Oktober 2020)