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Kunst am Bau, Teil 2

Kunst am Bau, Teil 2

Egal durch welchen Leipziger Stadtteil man läuft, überall entdeckt man Unmengen von Reliefs, Plastiken, Gesichtern, Mustern, Verzierungen usw., immer wieder sehen wir etwas, das wir noch nicht kannten. Seien es Männer, Frauen und Kinder oder Merkurköpfe, Sagengestalten und Tierdarstellungen, früher war Kunst am Bau offensichtlich Pflicht – oder Freude. Eine Freude ist es heute, sie aufzuspüren und abzulichten.

Leider findet man in der Regel keine Informationen zu ihrer symbolischen Bedeutung oder ihren Schöpfern, also machen wir uns unsere eigenen Gedanken und denken bei der tanzenden Frau in der Torgauer Straße an das Pariser Nachtleben auf Plakaten von Henri de Toulouse-Lautrec und bei den nackten Damen in der Rödelstraße an Nixen, die dem an dieser Stelle verschwundenen Fluss – der Rödel – nachtrauern. Bei der kopflosen Frau wiederum bzw. der mit dem Roboterkopf in der Scheffelstraße handelt es sich um ein Teil einer Gamat-Gasheizung aus DDR-Zeiten (Danke an Dirk und Stefan, die uns dazu auf Facebook informierten!).

Der Mann mit dem Fass in der Karl-Liebknecht-Straße dürfte mit dem Brauwesen zu tun haben, der nackte Reiter mit Herz in der Heilemannstraße eventuell der Bruder von Lady Godiva sein, während das aus den 1950ern stammende Relief an der früheren Ingenieursschule für Post- und Fernmeldewesen (später Hochschule für Telekommunikation) in der Gustav-Freitag-Straße unserer Meinung nach vier Werktätige und die Göttin des friedlichen Briefverkehrs zeigt.

In der Brandvorwerkstraße guckt einer der für die Handelsstadt Leipzig typischen Merkurköpfe von der Wand; Merkur war der römische Gott des Handels, sein griechischer Vorfahr Hermes fährt noch heute hier tagtäglich Pakete aus. Der lorbeerbekrönte (?) Kopf in der Zweinaundorfer Straße erinnert uns an den altitalienischen Dichter Dante Aligheri, kann aber natürlich auch einen anderen göttlichen Komödienschreiber darstellen. Und den Schiffsbug der (Santa) Anna seht Ihr ganz oben am KKH-Gebäude an der Thomaskirche. Auf dem Spruchband darunter heißt es: „Jedem redlichen Bemühn / Sei Beharrlichkeit verliehn“.

Über den Eingängen der in den 1930er Jahren errichteten Wohnhäuser Johannisplatz 17 und 18 ist sehr wahrscheinlich die historische Situation vor Ort bildlich dargestellt. Wir meinen, uns an alte Ansichtskarten mit diesen Motiven erinnern zu können. Die Frau in der Fregestraße war möglicherweise einst Teil der Bankiersfamilie Frege und in der Kasseler Straße appellierte ein Bauherr bereits vor Generationen an uns, niemals die Bäume zu vergessen.

In der Augustenstraße handelt es sich mit Sicherheit um den aus der Märchenwelt bekannten Froschkönig und in der Arno-Nitzsche-Straße hätte Erich von Däniken den Beweis dafür gefunden, dass die Außerirdischen Johannes Gutenberg, den Erfinder der beweglichen Lettern, schon vor über 500 Jahren mit einem Smartphone ausgestattet haben. Oder was sonst hält der Mann da wie einer, der auf die Straßenbahn wartet, in der Hand? Er googelt gerade die Nazca-Linien …

Andere Deutungsvorschläge als die soeben aufgeführten sind uns herzlich willkommen. Vielleicht weiß ja jemand doch etwas Genaues über die hier gezeigten Beispiele von Kunst am Bau. Verweisen möchten wir auf Teil 1 dieses Beitrags (September 2012) sowie u.a. auf unsere Betrachtungen über „Tiere in der Stadt“ (vier Folgen: Juli 2014, September 2015 und Dezember 2021), über Kratzkunst in verschiedenen Stadtteilen, z.B. „Sgraffiti in Leutzsch“ (März 2024), und über „Weinbau in Leipzig“ (November 2022).