„Leipzigs Sagen im Spiegel seiner Geschichte“ waren 1924 in Dürr’s Sammlung Deutscher Sagen als Band 1 herausgekommen. „Für Jugend und Volk ausgewählt“ hatte sie Dr. Paul Zinck, erschienen im Verlag von Hegel & Schade. Der Verfasser erklärte im Vorwort: „Dies Büchlein will versuchen, dazu beizutragen, die Leipziger Jugend heimisch zu machen in dem Häusermeer der Großstadt, indem es zwischen Geschichte und Sage, Natur und Volkstum der Heimat neue Fäden spinnt.“ Und er fragte: „Sollte nicht auch mancher Alte zu dem Büchlein greifen, um frohe Erinnerungen aufzufrischen?“ Na, klar!
Zinck ging die Sache journalistisch an, suchte die „ältesten ereichbaren Quellen“, änderte Worte und Formulierungen nur des besseren Verständnisses wegen, zitierte andere und ordnete ein. Wir lesen bei ihm vom Marienborn und dem Johannismännchen, vom Nonnenholz und der Heiligen Brücke, von Kobolden, Schatzgräbern und natürlich von Doktor Faust. Und wir staunen über seine Ausführungen zur Großen Funkenburg. Die Spuksage dazu haben wir bereits im Dezember 2023 auf unseren Seiten reanimiert, heute soll es um die Lokalität gehen.
Denn „einst schlug das Herz der Vergnügen suchenden Leipziger, wenn ihr Name erklang. Und ebensogut wie in der Gegenwart ein Fremder, der Leipzig besucht, im Palmengarten gewesen sein muß, mußte er vor hundert Jahren der großen Funkenburg einige Stunden widmen.“ Zinck zitiert u.a Johann Gottlob Schulz‘ 1784 geschriebene Zeilen: „Die Funkenburg, ein Vorwerk, nicht viel über hundert Schritte vom äußersten Tore entfernt, ist jetzt die Lieblingsassemblee der Leipziger“, der Lieblingstreffpunkt. 400 bis 600 Leute versammelten sich „bei einem Trunke von Bösener Weißbier*, das hier Gose genannt wird“. Er berichtet von lebhaftem Getümmel, Musik, Tanz, Vogelschießen und Feuerwerk.
„Aber auch allerlei leichtlebiges Volk“, so nun wieder Zinck, „scheint hier dem Gotte Gambrinus und der Muse Terpsichore gehuldigt zu haben, und auf dem großen Teiche gondelten die jungen Pärchen, die sich vorher im Tanze schwangen. Verschiedene Jahre hat sich auf ihm auch das beliebte Leipziger Fischerstechen abgespielt.“ 1830 kommt der Wiener Schriftsteller Deinhardstein in das Lokal mit Garten, Teich und Saal und notiert: „Die weibliche Gesellschaft unterhält sich mit Stricken, die männliche mit Kartenspiel, wobei man aus breiten, dünnen Flaschen mit unmäßig langen Hälsen sogenannte Windorfer Gose**, eine Art Weißbier trinkt, alles friedlich und stumm vor sich hin gehend.“
Im Gartenhaus der Funkenburg, erzählt Sagensammler Zinck, schuf Albert Lortzing „im Kreise einer beglückenden Familie und anregender Freunde“ seine schönsten Opern, die „Beiden Schützen“, „Zar und Zimmermann“, den „Wildschütz“, „Undine“ und den „Waffenschmied“. Manche davon zeigt die Musikalische Komödie in der Dreilindenstraße noch heute!
Herzlichen Dank an Hans-Werner, der uns das hundert Jahre alte Buch zur Verfügung stellte!
* unser Mitstreiter Andreas denkt, dass hier Kösener Weißbier gemeint ist
** siehe unseren Beitrag „Neue Liste Leipziger Brauereien“ vom April 2022