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Manfred Seifert – Bäcker und Filmemacher

Manfred Seifert - Bäcker und Filmemacher

(J.R.) „In dieser Backstube werden Sie gefilmt!“, warnte einstmals eine Zeitung scherzhaft die Kunden des passionierten Filmamateurs und hauptberuflichen Bäckermeisters aus Reudnitz. Der am 19. Januar 1939 in Leipzig geborene Manfred Seifert erlernte den Beruf des Bäckers und Konditors, wurde Meister und stieg 1968 in das väterliche Geschäft ein. Die bewegten Bilder zogen ihn jedoch schon immer magisch an.

Zuschauen reichte ihm bald nicht mehr. Selbst zu filmen, das war sein Traum. So kratzte er jeden Pfennig zusammen und kaufte sich 1957 für fast 300 DDR-Mark seine erste Kamera. Den dazugehörigen Projektor für 600 Mark stotterte er in Raten ab. Das Abenteuer Film konnte beginnen, zuerst ein paar Familienstreifen, dann etliche Urlaubsaufnahmen und schließlich ein erster Dokumentarfilm, der sich mit der Zubereitung von Flechtgebäck beschäftigte.

Eines Tages las Manfred Seifert einen Aufruf in der „Wochenpost“, der auflagenstärksten Wochenzeitung der DDR, mit dem Bruno J. Böttge (1925-1981), Filmregisseur und Nestor auf dem Gebiet der Silhouetten-Animation, ins Dresdner DEFA-Studio einlud. Nach einem Informationsbesuch und ermutigt durch Böttges Rat begann sich der Leipziger Bäcker für Silhouetten-Trickfilme zu interessieren.

Montag für Montag – zu DDR-Zeiten freier Tag in Bäckereien – schrieb er Drehbücher und entwickelte Stoffe für Kurzgeschichten, ein bisschen sächsisch, ein bisschen ironisch, ein bisschen provokativ. So entstanden in der Folge kleine Kunstwerke, die wie alle seine weiteren Filme auch ausschließlich in der Freizeit als Hobbyarbeiten entstanden. Es sollten insgesamt über einhundert Filme werden, von denen sich einige heute im Sächsischen Staatsarchiv befinden.

Hervorheben möchte ich drei Silhouetten-Animationen: Ein witziges Männchen räumt daheim auf und möchte den Abfall wegschaffen. Weil der Weg zu weit ist, wird unterwegs im Fluss entsorgt. Wenig später angelt der Umweltsünder dort und fängt einen Fisch. Stolz bringt er ihn nach Hause. Aber beim Zubereiten explodiert er – der Schattenfilm Kreislauf spielt nicht etwa im Jahr 2024 vor dem Hintergrund der beängstigenden Vermüllung der Meere und Plastik in Fischen, nein, er entstand schon 1981. Der Film Panne (1983) zeigt humorvoll, wie ein Parkverbot umgangen werden kann. Und das Filmchen Tünche aus dem Jahr 1987 thematisiert noch einmal die damals nicht tabufreie Problematik der Umweltverschmutzung.

Nach der Wende konzentrierte sich Manfred Seifert auf Dokumentarfilme, weil die Arbeit mit den Silhouetten zu zeitaufwendig und der Montag als bäckerfreier Tag weggefallen war. So schuf er mit „Israel Schalom?“ (2000) mehr als einen Reisebericht und begleitete in „Ein Dorf stirbt, aber sein Herz schlägt“ (2008) die Folgen des Braunkohleabbaus im Leipziger Umland.

Im Oktober 2024 teilte mir Jörg Herrmann (*1941), einer der letzten aktiven Silhouettenfilmer, mit: „Ja, ich war mit Manfred Seifert und seiner Familie befreundet. Angefangen hat es im DEFA-Trickfilmstudio. Dort hat Manfred immer seine neuesten Arbeiten der Abteilung Silhouette vorgestellt. Nach dem Tod von Bruno J. Böttge war ich sein ausschließlicher Gesprächspartner. Nachdem ich mich 1983 selbständig gemacht hatte, kam er oft in mein Atelier nach Kreischa, um Vorhaben zu besprechen und Fragen zu stellen.“

Manfred Seiferts Sohn Lars erlernte ebenfalls das Bäckerhandwerk und half oft bei den Dreharbeiten. „Wir waren ein gutes Gespann“, sinniert er. 2004 übernahm er das Geschäft in der Husemannstraße. Sein Vater drehte bis zu seinem Tod weiter Filme, von denen einige mittlerweile wertvolle Stücken Zeitgeschichte sind. Im Jahr 2018 starb Manfred Seifert im Alter von 79 Jahren. Zuvor hatte er seinen einzigartigen Filmschatz dem Sächsischen Staatsarchiv übergeben.

Geblieben sind die vielen Urkunden und Medaillen, die heute noch im Traditionszimmer an das jahrzehntelang gepflegte Hobby erinnern. Lars Seifert ist stolz auf seinen Vater, der als Filmbäcker Anerkennung, Wertschätzung und eine gewisse Berühmtheit erlangte.

Von Hand animierte lange Silhouettenfilme sind selten. Überhaupt haftet dem ganzen Verfahren, das gern für märchenhafte und historische Themen eingesetzt wird, etwas Nostalgisches an. Zu DDR-DEFA-Zeiten wurden so vor allem Kurzfilme für Kinder produziert. Dass in diesem Genre auch andere Themen denkbar waren, zeigte unter anderem Amateurfilmer Manfred Seifert.

Für diesen Beitrag danken wir wieder einmal Jens Rübner (J.R.), welcher kürzlich eine Broschüre über den filmenden Bäckermeister veröffentlicht hat und von dieser je ein Gratis-Exemplar an den ersten Reudnitzer sowie den ersten Neustadt-Neuschönefelder versendet, die ihm eine Mail an defafan@web.de schreiben. Das Angebot gilt selbstverständlich auch für Reudnitzerinnen und Neustadt-Neuschönefelderinnen. Manfred Seiferts Bäckerei befindet sich historisch gesehen in Reudnitz, vom Verwaltungsstandpunkt aus seit den 1990ern aber in Neustadt-Neuschönefeld.