Bertram Reinecke führt den auf Spezielles spezialisierten Verlag Reinecke & Voß von Eutritzsch aus. Er möchte „neugierige gebildete Vielleser mit unbekannten Klassikern der Moderne“ bekannt machen, liefert Kurz- und Langgedichte aus und gibt auch Sprachexperimenten einen Platz auf Papier. Mit Luise Boege („Bild von der Lüge“) hat er aktuell eine potenzielle Preisträgerin im Programm.
Seit wann gibt es Reinecke & Voß?
Nach einer kurzen Versuchsphase startete der Verlag zur Buchmesse 2010 mit einem ersten Programm.
Welche Art von Büchern verlegt Ihr hauptsächlich?
Unser Verlag wendet sich an neugierige gebildete Vielleser mit unbekannten Klassikern der Moderne, ihrer Vorgeschichte bis in den Barock sowie mit Autoren, die auf ungewöhnliche Schreibarten setzen. Dazu bringen wir unter anderem in Reihen für neugriechische und lateinamerikanische Lyrik internationale Literaturen nach Deutschland.
Wie wurdet und werdet Ihr vom Leipziger Buchhandel aufgenommen?
Die Leipziger Buchhandlungen reagieren meist erst auf Kundenanfragen. Das liegt wahrscheinlich daran, dass sich unsere Titel an eine relativ kleine Zielgruppe wenden, was ihnen wohl nicht so vielversprechend erscheint. Erst, wenn wie jetzt ein Titel wie Luise Boeges „Bild von der Lüge“ zum Beispiel in der LVZ erwähnt wird, weil er auf der Shortlist des renommierten Preises des BDI steht, reagieren sie, auch wenn das Buch sicherlich schon vor zwei Jahren ebenso gut war, wie es jetzt ist. Umso mehr freut es mich, dass die Connewitzer Verlagsbuchhandlung gute Erfahrungen damit gemacht hat, zumindest einige Titel von uns vorrätig zu halten. Das ist auch ein Problem des lokalen Buchhandels: Er ist nicht mehr in der Lage, ein Ort zu sein, wo sich informierte Kundinnen und Kunden über interessante Neuerscheinungen einen Überblick verschaffen können. Wer zum Beispiel über Luise Boege im Tagesspiegel, der Taz, der Zeit oder der Süddeutschen gelesen hatte oder die Beiträge zu ihr im MDR oder SWR verfolgte, gar nicht zu reden von solchen in Monatsmagazinen wie Kreuzer oder Blitz oder im Internet, mag enttäuscht gewesen sein, ihre Bücher im Handel nicht vorgefunden zu haben.
Wirken sich die KNV-Probleme auch auf Euer Geschäft aus?
Bisher nicht, denn wir haben uns von Anfang an dagegen entschieden, mit Großhändlern zusammenzuarbeiten. Unser einziger Kontakt zu KNV ist die automatische Weiterleitung von Bestellungen, die dort nicht vorrätig sind. Dieser Service funktioniert bisher weiterhin reibungslos. Eher sehen wir eine Chance darin, wenn Buchhandlungen aus diesem Anlass reflektieren, wie abhängig man sich macht, wenn man sich aus Bequemlichkeit auf einen oder wenige große Anbieter verlässt. Vielleicht betrifft das auch irgendwann die Abhängigkeit von den sogenannten „Qualitätsmedien“. Über das, was in der Literatur los ist, kann man sich schon lange anderswo besser informieren als dort. Dass Bücher wie die Luise Boeges wichtig sind, darüber konnte man sich an anderer Stelle, auch im Internet, schon vor vielen Jahren belesen.
Wo werdet Ihr zur Buchmesse präsent sein?
Man kann uns auf der Buchmesse in Halle 5, Stand 210, finden. Unsere Autoren und Übersetzer sind am 22.März ab 20 Uhr im Kulturkosmos in der Klopstockstraße 2 zu erleben. Dort stellen wir neugriechische und ungarische Lyrik vor. Außerdem sind wir von Mittwoch bis Freitag mit drei Kurzlesungen in der Buchhandlung der Lyrikverlage im Tapetenwerk präsent. An kaum einem anderen Ort kann man sich einen besseren Überblick über die Programme der wichtigen Spezialverlage für Lyrik verschaffen. Ich selbst stelle am Freitag um 10.30 Uhr Montagen politischen Inhalts im Hugendubel vor.
Welches Buch erscheint als nächstes in Euerm Verlag?
Gerade aus der Druckerei gekommen ist Anna Griva, eine Meisterin ganz unterschiedlicher Arten poetischen Sprechens, von autobiografisch geprägten Gedichten über Neuinterpretationen antiker Mythen bis hin zum Sprachexperiment. In den nächsten Tagen erwarten wir noch István Keménys Langgedichte, die sich zwischen lebendiger Alltagsprache und surrealistischer Verfremdung bewegen, in deutscher Erstübersetzung von Orsolya Kalász und Monika Rinck.
siehe auch unseren Beitrag „Leere Container“ vom Dezember 2017