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Wer war Herloßsohn?

Herloßsohnstraße
Herloßsohn (li.) in der Zeitschrift "Gartenlaube"
Herloßsohn (li.) in der Zeitschrift „Gartenlaube“

In unserem Beitrag „Hinauf auf den Scherbelberg“ (Juli 2017) erwähnen wir die Herloßsohnstraße und deren Namensgeber Carl Herloßsohn (1804-1849). Über den Mann wussten wir nichts, bis wir in der Zeitschrift „Die Gartenlaube“, Nr. 41 von 1864, verlegt in Leipzig, Ferdinand Stolles „Erinnerungsblatt aus dem vormärzlichen Schriftstellerleben: Wenn die Schwalben heimwärts ziehn“ fanden.

Der Kollege fragte vor nunmehr 153 Jahren: „Wer hat das Lied (gemeint ist „Wenn die Schwalben heimwärts ziehn“) nicht schon gesungen oder singen hören und wer kennt heute noch den Dichter dieses und noch vieler andern schönen Lieder und wer spricht noch von ihm?“ Schon geht es zurück in die Vergangenheit, in die erste Hälfte des 19. Jahrhunderts.

„Es war gegen das Ende der zwanziger Jahre, als in der Mittagszeit eines schönen Sommertags aus dem Marterkasten eines der Dresdner Lohnkutscher, die damals in Leipzig im Birnenbaum, dem heutigen Hotel de Pologne, ihre Einkehr zu halten pflegten, ein junger Mann stieg und die mit einer Brille bewaffneten Augen die hohen Häuser der Hainstraße entlang schweifen ließ. Sein Alter mochte die mittleren Zwanziger erreicht haben. Die Figur gehörte mehr der kleinern Menschenausgabe an und war nichts weniger denn imponirend. Den besten Empfehlungsbrief aber trug der junge Mann auf seinem Antlitz, das geistreich, aber zugleich von ungemeiner Gutmüthigkeit sprach.“

Carl Herloßsohn, dessen Ankunft wir hier gerade miterleben durften, stammte aus Prag und hoffte, in Leipzig, der „Metropole des Buchhandels“, ein Auskommen als Schriftsteller zu finden – „aber Niemand bekümmerte sich um ihn“. Er nahm Quartier in einem sicherlich bescheidenen „Oberstübchen des Thomaskirchhofes“ und hatte keinen leichten Start, seine Manuskripte trafen nicht auf Gegenliebe, bis er mit einer Persiflage auf den damals bekannten Autoren Heinrich Clauren doch noch auf sich aufmerksam machen konnte.

„Bereits nach zwei Jahren sehen wir unseren Freund in ganz behaglichen Verhältnissen an schönen Sommernachmittagen im Schweizerhäuschen des Rosenthales … sein Gläschen Grog schlürfen“ und die Damenwelt mustern. „Die glücklichste Zeit seines Lebens begann unstreitig mit der Gründung* des ‚Kometen‘, eines belletristischen und für die damalige Zeit ziemlich freisinnigen Blattes“, welches in Altenburg gedruckt wurde, „wo die Censur weniger streng war“. Herloßsohn betätigte sich in der Folge als Journalist, Romancier und Lyriker.

Sein Gedicht „Wenn die Schwalben heimwärts ziehn“ geriet durch „reinen Zufall in die Hand des Componisten“. Der „Leipziger Schriftsteller hatte an F. Abt** ein Paket Bücher zu schicken und benutzte als Umschlag zufällig die Kometennummer, worin das Lied zum ersten Male abgedruckt war. Die einfachen Verse sprachen den Componisten in einem Grade an, daß er sofort die Melodie dazu schuf, die bald die Reise um die Welt“ antrat.

Zu den „vertrautern Bekannten“ des Dichters zählten der bis heute populäre Komponist Albert Lortzing und der „beliebte Baßbuffo Berthold“, ein Opernsänger und Schauspieler. „Man sah die Drei oft beieinander, zuweilen auch bei einem Fläschchen Scharlach- oder Johannisberger in einer der bekannten Leipziger Weingrüfte.“

Der Komet ging „in Folge der Strömung einer neuen politischen Zeit“ ein, und Herloßsohns finanzielle Verhältnisse verschlechterten sich, nicht lang darauf auch sein Gesundheitszustand („Halsübel“). Im Spätherbst 1849 saß er „matt und mit erloschenen Augen im Sopha seines Erkerzimmers in der Hainstraße“, es ging ihm „recht schlecht“. Wenig später verschied er im Jacobshospital am Rosental (Jacobstraße). Gartenlaube-Verleger Ernst Keil schrieb in einem Nachruf: „der gute, allbekannte, herzliche Herloßsohn ist schlafen gegangen … bettelarm gestorben im Spital“.

* 1830, „Der Komet“ erschien bis 1848
** Franz Abt (1819-1885) aus Eilenburg, Thomasschüler, Student der Leipziger Universität und wie Herloßsohn mit Albert Lortzing befreundet