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Kurt Mondaugen im Interview

Kurt Mondaugen im Interview

„Leipzig/Nirwana“ nennt Kurt Mondaugen sein neues Buch. Damit reiht sich der Lesebühnen-Philosoph („Schkeuditzer Kreuz“, „Lesebühne West“) in die lange Liste von Autoren ein, welche sich mit dem tausendsten Jahrestag der Ersterwähnung unserer Stadt beschäftigen. Wir stellten Fragen.

Du reist eigenen Angaben zufolge seit 1.000 Jahren mit Multimedia und Psychedelika im Selbstversuch durch alle Tunnel- und Bewusstseinsschichten dieser Stadt. Hast Du da auch den sagenhaften Bischof getroffen?

Ja – aber eher im Off! Wenn ich’s recht bedenke, redet mein Unterbewusstes eigentlich ständig mit Thietmar oder umgekehrt – aber im Buch habe ich alle Fußnoten getilgt, um den Zugang zum Nirwana nicht unnötig zu verkomplizieren. Dazu rät ja im Übrigen auch der Mahayana-Buddhismus, aber das weißt Du ja selbst viel besser!

Ich? Danke für die hohe Meinung. Was sagt der Thietmar? Reibt er sich die Augen, Ohren, Lymphknoten? Erinnert er sich überhaupt an diese winzige Burg im Auewald?

Ja, natürlich, und sein Lieblingsplatz ist das Outback Kleinzschocher. Hier läge er gern begraben, direkt an den Eisenbahngleisen. Aber leider wurden seine Gebeine von der Katholischen Kurie in einen Nebenstollen des City-Tunnel eingemauert … vielleicht war es auch die Leipziger Stadtmarketing GmbH? Die Welt wird leider immer unübersichtlicher!

Stichwort Kleinzschocher: Welche Stadtteile hast Du für „Leipzig/Nirwana“ besucht und welcher hat Dich vielleicht positiv überrascht?

Ich habe die Stadtteile nicht besucht, ich habe dort gelebt! Zusammen mit Natascha-Lou Salomé – und wir haben alle Facetten der Liebe ausgetestet, wie sie möglich sind in der Gegenwart der Welt: In Kleinzschocher, in Plagwitz, auf dem Jahrtausendfeld, im Tunnel, in Gohlis, am Südplatz, bei den Faschingsschamanen von Connewitz, in Dölitz, in der Kolonnaden- und Eisenbahnstraße, in Lost Volkmarsdorf und im Kulkwitzer See, mit den Einhörnern im Wildpark, auf der Spinnerei und der Neuen Messe und in den seelischen Eingeweiden des Völkerschlachtdenkmals sowieso. Alles ist Teil dieser Liebe und dieses Romans und meiner Erfahrung, ich will also nichts davon missen und keinen Ort dieser Stadt bevorzugen. Aber wenn Du mich fragst, was am Ende mit mir geschehen soll, würde ich natürlich sagen: Begrabt mein Herz an der Biegung des Karl-Heine-Kanals! Und trinkt dazu ein Gentrifizierungsbier!

Ja, das geloben wir! Nächste Frage: Dein Buch heißt im Untertitel „Das Gegenwerk der Welt“, ein Gegenwerk wozu?

Nun ja ein Gegenwerk zu allem natürlich, ein Gegenwerk zur Realität und zum Spätkapitalismus, ebenso wie zur Realitätsflucht und zur Ewigen Wiederkunft des Gleichen … Das Gegenwerk heißt letztlich: Jeder muss es am Ende selber tun – dieses Buch lesen und leben und reanimieren, das eigene Leben lesen und leben und reanimieren und das mit der Liebe dabei auch noch irgendwie geregelt kriegen, auch wenn das nicht leicht ist, weshalb an einer Stelle des Buches die Figur Kurt Mondaugen die Freundin Natascha-Lou Salomé einmal verzweifelt fragt: „Hast du das auch manchmal? – Manchmal fühlt es sich an, als wäre man in dieses Leben hineingeraten, wie in ein anonymes Bewerbungsgespräch, und man weiß nichts über das Anforderungsprofil, und man weiß auch nicht, was das für ein abstruses Unternehmen ist, bei dem man sich bewirbt, und indem man die Leute um sich herum imitiert, versucht man erstmal herauszukriegen, was sie von einem erwarten in diesem Leben. Aber man schafft es einfach nicht! Und ich schaffe es auch nicht!“ – Das ist natürlich nicht das Ende der Geschichte! Eine andere Welt ist möglich!

Buchpremieren:
05.03. Nato (mit Simone Weißenfels)
12.03. Leipziger Literaturverlag, Brockhausstraße 56

www.kurt-mondaugen.de