Gleich im ersten Raum findet inmitten historischer Gemeinschaftsprojekte die Alternative Wohngenossenschaft Connewitz Erwähnung – unter der Jahreszahl 1995. Weiter hinten an den Arbeitstischen dient das Pögehaus als hiesiges Beispiel. Und dann steht man vor einer Wand vor der Zeile „So geht es gemeinsam in Leipzig“ und erfährt von SchönerHausen in der Eisenbahnstraße, von LeLu (Ludwigstraße) und SoWo (Merseburger Straße), vom Holzhaus in der Zschocherschen Straße, der Ein-Haus-Genossenschaft in der Dölitzer Straße, von einem Wagenplatz und einer Luftschlosserei sowie von kollektiven Neubauvorhaben, geplanten und bereits verwirklichten.
„Together!“, die seit Ende November im Grassimuseum präsente Ausstellung, beschäftigt sich mit dem Wohnen in der Gruppe. Der Untertitel lautet: „Die neue Architektur der Gemeinschaft“. Städte werden voller, Räume werden enger – welche baulich unterstützten Formen des Zusammenlebens gibt es bereits, welche können wir uns vorstellen, welche vielleicht selbst praktizieren? Im Grassimuseum bekommen wir Anregungen in Form von puppenhausähnlichen Modellen umgesetzter Entwürfe aus Japan, Korea und der Schweiz, aus Amsterdam, Kopenhagen oder Wien. Und eben aus Leipzig, denn wir wollen bei aller Internationalität ja den Bezug zu den Problemen vor Ort nicht verlieren.
„Die Stadt als öffentliches Wohnzimmer“, lesen wir an einer Stelle und beginnen über Treffpunkte, Begegnungsräume und Aufenthaltsmöglichkeiten außerhalb der privaten Sphäre nachzudenken. Wo gehen wir hin, wenn wir miteinander ins Gespräch kommen, aber dafür kein Geld ausgeben wollen? In die Küche der WG, auf den Innenhof, in den Pausen- oder Fernsehraum, auf die Terrasse, den Balkon oder den Dachgarten? Und wer darf dort hin? Alle oder nur die jeweiligen Anteilseigner und deren Gäste?
Plötzlich befinden wir uns in einer lebensgroßen Musterwohnung, die aus vier Privatbereichen und einem Gemeinschaftsareal zusammengesetzt ist. Jeder hat hier beispielsweise sein eigenes Bad, eine gute Sache. Ausgedruckte und in die Zimmer gehängte Sprechblasen bringen uns die Bewohner nahe: „Ich heiße Anna, bin 34 Jahre und arbeite in der Stadtverwaltung. Ich lebe hier mit meinem Partner Lukas. Wir haben ein Schlafzimmer, ein Wohn-/Esszimmer, eine kleine Küche und ein Bad, insgesamt sind das 45 Quadratmeter.“ Das ist konkret, das ist interessant. Das ist begeh- und erlebbar.
Und die Ausstellungsbesucher dürfen sich weitere Gedanken machen. Wie könnte man den gemeinsamen Bereich dieser Wohnung nutzen? Vorschläge sind erwünscht. Informationen und Materialien werden in großer Menge bereitgestellt, unter anderem im Großraumbüro oder Co-Working-Space-Lab, in dem man an den oben erwähnten Arbeitstischen Platz nehmen und erfahren kann, wie es irgendwo auf der Welt bereits gehandhabt wird. Das ist wieder konkret, interessant und ein Erlebnis. Man muss nur genügend Zeit und einen freien Kopf mitbringen.
Zum besseren Verständnis: Das Wohnen in der Gruppe ist weder neu (historische Beispiele, siehe oben; außerdem Großfamilien, Genossenschaften, wie es sie gerade in Leipzig zahlreich gibt, WG-Häuser, Kasernen, Studenteninternate usw.) noch wird es die Zukunft allein bestimmen. Aber es könnte Großstadtprobleme wie Platzmangel und Vereinsamung lösen helfen bzw. zumindest abmildern.
Angegliedert an „Together!“ ist das Gedankenspiel Grassi Future. Architekturstudenten entwickeln hier ziemlich freie Vorstellungen zur Bebauung des Johannisplatzes, konkret des baumumstandenen Wiesendreiecks vor dem Grassimuseum. Unser erster Reflex war: Nicht bebauen, lasst bitte alles so, wie es ist! Dann haben wir uns die zwölf Beiträge (Visionen) angeschaut und dachten immer noch: Nicht bebauen! Leipzig ist in den letzten zehn Jahren ohnehin schon so viel dichter geworden …