Auf der Internetseite des Landesverbandes Sachsen der Kleingärtner e.V. www.lsk-kleingarten.de findet man unter dem Punkt Geschichte auch einiges zum „Schreberverein der Nordvorstadt“. Warum man das überhaupt suchen sollte? Weil am Kickerlingsberg 9a ein interessantes Gebäude steht, an dessen Wand man mit den Schriftzug „Kleingärtnerverein der Nordvorstadt / jur. Pers. / Gegründet 1880“ entziffern kann. Drumherum wird immer noch gegärtnert, im Hintergrund grüßt der Zoo.
Bei den Kleingärtnern im Internet erfahren wir zum Datum 10. Mai 1864 folgendes: „In Leipzig gründen Lehrer und Eltern von Schülern der 4. Bürgerschule auf Initiative des Direktors Dr. Ernst Hauschild (1808–1866) einen Erziehungsverein, den sie nach dem 1861 verstorbenen Leipziger Arzt Dr. Moritz Schreber (geb. 1808) benennen. Dieser trat für die Errichtung von Kinderspielplätzen in der freien Natur … ein.“
Sowie: „Der dritte im Bunde wurde der ‚Schreberverein der Nordvorstadt’, der am 2. Dezember 1880 gegründet wurde. Die Anregung ging auf Eduard Mangner, den Vorsitzenden des ‚Schrebervereins der Südvorstadt’ zurück. Der Vorsitzende des ‚Schrebervereins der Westvorstadt’ gratulierte zur Vereinsgründung. Es ist deshalb nur logisch, dass diese drei Schrebervereine der Altstadt, die man später als die ‚Altschrebervereine’ bezeichnete, stets in enger Fühlung blieben. Jährlich trafen sie sich im Oktober – dem Geburtstag des gemeinsamen Namenspatrons – zu einer gemeinschaftlichen Eröffnungssitzung.“
Für den 4. Mai 1891 ist vermerkt: „Die ersten sechs Schrebervereine schließen sich zum ‚Verband Leipziger Schrebervereine’ zusammen: Dr. Schreber, Südvorstadt*, Nordvorstadt, Nordostvorstadt, Schreber-Hauschild** und Leipzig-Lindenau (Friesengärten).“ Bei Dr. Schreber handelt es sich um den Schreberverein der Westvorstadt***.
Ebenfalls interessant: „Die Satzungen der ersten Schrebervereine sind nahezu identisch. Als Beispiel sei die des ‚Schrebervereins der Nordvorstadt’ angeführt, in der es heißt: ‚Der Zweck des Schrebervereins der Nordvorstadt ist, im Sinne des verewigten Schuldirektors Dr. Hauschild und Dr. med. Schreber, für die leibliche und geistig-sittliche Erziehung der Kinder nach besten Kräften zu sorgen. Dieses sucht der Verein zu erreichen a. durch Pflege des Jugendspiels während der Sommermonate auf einem gesund gelegenen möglichst mit Gärten umgebenen Spielplatz …’“
Die Historiker bemerken: „Wichtig ist, dass die Erziehung von Kindern und Jugendlichen eindeutig im Vordergrund steht und dass die Anlage von Gärten nur als gewünschte Möglichkeit, aber nicht als Bedingung angeführt wird.“
Vor dem Gebäude am Kickerlingsberg 9a befindet sich bis heute eine (inzwischen eingezäunte) Wiese, die vermutlich einst als Spielplatz genutzt wurde, flankiert von Gärten. Ein Stück in Richtung Nordplatz gibt es eine weitere Wiese, die bei den kleineren Kindern der Umgebung als Rodelberg beliebt war und sicher noch ist, die größeren gehen zum nahen Scherbelberg.
Geheimtipp: Am Kickerlingsberg, ungefähr ab bzw. bis zur Nummer 9a, kann man auch nach Erweiterung der Bezahlt-Parken-Zone rund um den Zoo kostenlos parken, muss dann allerdings ein wenig laufen, wenn man in den Zoo oder in die Innenstadt möchte.
Stichwort Kickerlingsberg, diesen ungewöhnlichen Straßennamen erklärt Bernd Weinkauf im Buch „Leipziger Denkmale“ wie folgt: „Militärischen Ursprungs ist der frühere Flur- und jetzige Straßenname Kickerlingsberg. Was an dieser Gegend ein Berg sein soll, mag manchen verwundern, aber Höhen und Tiefen sind, auch topographisch gesehen, relative Begriffe. Jedoch, was ist ein Kickerling? Sprachgeschichtlich betrachtet, gehört Leipzig zum gleichen Mundartbereich wie Berlin; dort gehören ‚Icke, dette, kieke mal‘ zu den Erkennungswörtern. Also: etwas zum Kieken, ein Ausguck nämlich. Von einem Turm ließ sich das flache Land weit überschauen …“ Schön, bis auf den Berlin-Bezug – da sträubt sich unser Sachsengefieder.
* siehe unseren Beitrag „Ab in die Gartenkneipen II“ (Juni 2014)
** siehe unseren Beitrag „Ab in die Gartenkneipen III“ (Juni 2014)
*** siehe Foto 3 in unserem Beitrag „Ab in die Gartenkneipen I“ (Juni 2014)
Frühjahr 2020: Das Fachwerkgebäude Kickerlingsberg 9a wird renoviert.
Sommer 2021: Auf Facebook brachten wir das schöne Fachwerkhaus als Ratebild und erfuhren über die Kommentare tolle Sachen. Die einst dort ansässige Kneipe „Nordvorstadt“ wurde „auch ‚die Asche‘ genannt“ (Danke, Lutz!). „In der Asche hat der Bernd das Bier gezapft und dazu unverdrossen Bayern 3 gehört.“ (Danke, Fridtjof!) „… so war’s und geil war’s. Und die Russen haben Kasatschok getanzt … Übrigens soll in den heiligen Hallen der ‚Asche‘ auch ein gewisser Herr Putin, während seiner Zeit in Leipzig, ab und an Gast gewesen sein.“ (Danke, Thomas!) +++ In Gohlis-Süd ist die Sowjetarmee bis zur Wende stark vertreten gewesen (u.a. Russenmagazin in der Ehrensteinstraße, Russenschule am Nordplatz), das russische Konsulat befindet sich heute noch unweit des Kickerlingsberges.