Glück muss man haben! Als wir uns mit Jörg Hellriegel vor der Grünen Eiche in der Demmeringstraße trafen, war zufälligerweise nicht nur außen die Tür des Hauses geöffnet, sondern auch innen die zur ehemaligen Gaststätte. Eine Mitarbeiterin des Theaters der Jungen Welt, das die Räume derzeit als Probebühne nutzt, ließ uns herumschauen und Jörg in Erinnerungen schwelgen.
Der Gastronom hatte das baulich beeindruckende Haus des Architekten Paul Möbius von 1993 bis 96 geleitet. Gemeinsam mit seiner „geliebten Frau“ Gabriele war er aus der Grünen Tanne in der Georg-Schwarz-Straße hierher gekommen, dann allerdings wegen nicht erfüllter Umsatzerwartungen weiter in den Zunftkeller in der Dresdner Straße gezogen (den die Beiden bis letztes Jahr betrieben). In der Grünen Eiche versuchte sich daraufhin ein Italiener, der allerdings fünf Jahre später ebenfalls das Handtuch warf.
Wie die Zeitung S3 im Jahre 1994 schrieb, war die Grüne Tanne bereits Ende der Achtziger ein „Geheimtip für Gourmets“ und 1992 „u.a. wegen des Kochens auf dem heißen Stein bei allen Leipzigern und Zeitleipzigern so berühmt geworden, daß sie aus allen Nähten platzte“. Doch die Rückübertragungs-Eigentümer des Gebäudes an der Ecke von Georg-Schwarz- und Großmannstraße wollten lieber eine Apotheke statt einer Gaststätte im Erdgeschoss haben.
Da passte es den Hellriegels gut, dass in der gar nicht so weit entfernten Grünen Eiche gerade neue Betreiber gesucht wurden. „Dorthin“, so der Wirt, „konnten wir unsere Gäste zum großen Teil mitnehmen.“ Doch zuvor wurde renoviert und saniert, und zwar denkmalgerecht, mit einem Farbkonzept – rosa, weiß, hellblau – und mit geätzten Fensterscheiben. Möbius‘ charakteristische Formen von außen setzen sich übrigens im Inneren fort.
In der Demmeringstraße haben Gabriele und Jörg einiges erlebt: „Als wir im Jahr 1994 eine Veranstaltung der Freimaurerloge in der Grünen Eiche hatten, standen plötzlich 20 Musketiere mit wehenden Federn am Hut und blinkenden Degen vor der Gaststätte. Diese waren aber leider an der falschen Adresse, sie wollten in die Grüne Eiche nach Kulkwitz.“ Ein anderes Mal verschwand eine Hochzeitstorte im Schacht des Speiseaufzugs. Sie war unglücklich nach unten gekippt, während das Brautpaar oben im Saal auf sie wartete. In Windeseile – circa 25 Minuten – lieferte der Konditor von Espresso West ein neues Schmuckstück.
Heute ist die Grüne Eiche außen eher orange, aber die rosa Waschbecken, die Jörg einst passend zum Farbkonzept einbauen ließ, sind immer noch da – 1a gepflegt! Auch die stufenlos regelbare Abzugshaube aus Böhlitz-Ehrenberg hängt noch in der ehemaligen Küche; hinzu kommen Lampen, Türen und Fliesen, die der frühere Wirt begeistert wiedererkannte. „Wenn ich das meiner Frau erzähle …“
Leider lief die Eiche damals nicht wie erhofft, Haus und Lokal gefielen dem Publikum zwar, aber die Umgebung mit langwierigen Baustellen, traurig aussehendem Leerstand und nicht ausreichenden Parkplätzen war vielen zu abenteuerlich. Hellriegels versuchten es im Oktober 1994 mit einem Schwenk und nannten ihren Betrieb nun Lindenauer Nudelhaus im Gasthaus Grüne Eiche – doch auch das half nicht.
„Zu jedem Nudelgericht servieren wir: Knackigen Salat, knuspriges Pizzabrot und eine Kugel Eis ohne Extraberechnung“, stand damals in der Speisekarte sowie: „Wählen Sie zu Ihren Nudelgerichten zwei verschiedene Saucen – die Chefin tut’s auch!“ Außerdem war zu lesen: „Selbstverständlich halten wir auch weiterhin herzhafte Gerichte der Deutschen Küche bereit.“ Es lag an der Lage, im Zunftkeller schließlich flutschte es von 1997 bis 2023.
Weitere Stationen in Jörgs Berufsleben waren die Park- und die Jagdgaststätte auf der Agra sowie die Völkerfreundschaft in Grünau, alles vor Tanne & Eiche. Und wo ist der sympathische Leipziger Gastronom aufgewachsen? Erst in der Artur-Hoffmann-Straße und später in den Meyerschen Häusern von Kleinzschocher (seine Eltern bewirtschafteten zu der Zeit das Immergrün in der Ratzelstraße). Mittlerweile wohnen Gabriele und Jörg Hellriegel in Paunsdorf.
siehe auch unsere Beiträge „Grüne Eiche Kulkwitz“, Teil 1 und 2 (Dezember 2022)
Helmut-Henning Schimpfermann in seinem Buch „Wirtliches an der Pleiße“ von 1991:
„Zur grünen Tanne, Großmannstraße 1, 1949 von Wilhelm Döring bewirtschaftet, 1989 als Speiserestaurant von Jörg Hellriegel. Ein Gericht 1989: Pariser Schnitzel mit Streugemüse für 5,10 Ostmark. Spezialität im September 1990: Essen vom heißen Wikinger-Stein.“
„Grüne Eiche, Demmeringstraße 22. Unter Denkmalschutz stehendes Gebäude, 1904 im Jugendstil erbaut. 1949 Wirtin Gertrud verw. Winkler, später HO-Gaststätte. 1989 Umbau; Gastraum einschließlich Empore in Anlehnung an den Jugendstil ausgestattet. Im März 1991 in Verwaltung der Gastronomie Service GmbH, sicher nur zeitweilig geschlossen.“