Hans-Werner sei Dank liegen bei uns die LVZs aus der Wendezeit im Regal. was war im „Organ für die Interessen des gesamten werktätigen Volkes“ vor genau 35 Jahren wichtig? Wir haben die Wochenend-Ausgabe vom 13./14. Januar 1990 durchforstet und staunten u.a. über die Schlagzeile Polygraph kauft Firma in USA. Das Unternehmen Royal Zenith Corp sei zuvor Vertragspartner des DDR-Außenhandels gewesen, wurde sogleich in Planeta North America umbenannt und sollte weiterhin ostdeutsche Offsetdruck- und Papierschneidemaschinen in den USA und Kanada vertreiben. Wie lange wird das gutgegangen sein?
Mittlerweile vergessen ist das Ansinnen jener Tage, aus Leipzig eine Freie Stadt bzw. Freie Messestadt zu machen. Was das konkret zu bedeuten hatte, war auch den Teilnehmern einer Straßenumfrage nicht ganz klar, wahrscheinlich schwebte den Verfechtern der Idee ein Stadtstaat wie Hamburg oder Bremen vor. Vor 35 Jahren jedenfalls wurde der Begriff „von nahezu allen Parteien und Gruppen in Zusammenhang mit einer künftigen Verwaltungsreform in die Debatte geworfen“.
Bekannter kommt uns heute da die Feststellung vor, dass Leipzigs Straßenbahnen Fahrer brauchen. „57 Männer und Frauen werden demnächst hinzukommen“, lesen wir. Zur Zeit sind sie Fahrschüler bei den Leipziger Verkehrsbetrieben. Unter ihnen sind einstige Angestellte des früheren MfS und der NVA“ sowie „ehemals hauptamtliche Mitarbeiter der SED-PDS“. Ebenfalls modern wirkt der Gedanke des „größten Baumaschinenproduzenten unseres Landes mit Sitz in Leipzig“, des Kombinats baukema, eine Baumaschinen-Leasing-Firma gründen zu wollen.
Die Fußballmannschaft Chemie Leipzig wiederum bereitete gerade das für den 20. Januar geplante Hallenturnier in die Messehalle 7 vor. Erstmals mit dabei sein sollten zwei Vereine aus der westdeutschen Partnerstadt, nämlich Hannover 96 und Arminia Hannover, außerdem Sachsenring Zwickau und der damalige Oberligist Stahl Brandenburg. „Die Veranstaltung soll vor allem die Aktion ‚Leipzig jetzt!‘ auslösen, in der es um finanzielle und materielle Hilfe für die DDR-Messestadt geht.“ Reporter Eberhard Schmiedel meinte dazu im letzten Satz: „Der Sport als Helfer für Leipzigs Zukunft – warum nicht!?“
Die Wochenendbeilage der LVZ hieß seinerzeit „In freien Stunden“, in der Musikalischen Komödie kam „Aphrodite und der sexische Krieg“, der Sender Leipzig brachte u.a. „Ultrakurzweiliges mit Bezirksnachrichten“ und das Haus Leipzig bewarb eine Veranstaltung mit Ursula Schmitter und Gerd Holger, „Aus der Rumpelkiste des Kabaretts“. Der Zeitung vom 12. Janaur 1990 haben wir noch eine Anzeige der einst bekannten Gaststätte Mühlen-Csarda entnommen, das Lokal in der Delitzscher Straße lud sonnabends und dienstags zum Tanz „mit unserer Diskothek“ ein.
Die LVZ kostete damals 15 Pfennig und umfasste in der Regel acht Seiten, am Wochenende 16. Manch heute kurios Anmutendes und in Vergessenheit Geratenes ist in den alten Blättern zu finden, so berichtet die Ausgabe vom 15. Januar 1990 von zwei Parteineugründungen, in Berlin hatten sich die marxistischen Nelken zusammengefunden und in Karl-Marx-Stadt wollten es ihnen die jedes Sozialismusmodell ablehnende Deutsche Forumpartei nachmachen, während die bayrische CSU in Leipzig „Unionsgespräche“ führte, mit dabei war u.a. Theo Waigel.