Nachdem wir durch Dölitz spaziert sind, holten wir das Arbeitsheft Nr. 11 heraus. Das stammt aus dem Jahr 1986, vom Leipziger Arm der Gesellschaft für Heimatgeschichte im Kulturbund der DDR und beschäftigt sich u.a. mit dem von uns besuchten Stadtteil. Die Redaktion lag seinerzeit in den Händen von Wolfgnag Grundmann.
Wir lesen, dass das im 13. Jahrhundert erstmals erwähnte Rittergut – mit Schloss, Torhaus und Wirtschaftsgebäuden – ursprünglich eine Wasserburg gewesen ist, geschützt von der Mühlpleiße. Seit 1636 war Georg Winckler, ein Kaufmann aus und späterer Bürgermeister von Leipzig, dort der Besitzer. Er ließ das Schloss „im Stile der niederländischen Spätrenaissance erneuern“, aber auch die „verfallene Mühle“ und „das Mühlwehr wieder herrichten“. Schade, dass es das Schloss nicht mehr gibt, dafür immerhin noch das Torhaus mit der 1960 eröffneten Zinnfigurenausstellung. Der Dölitzer Rittergutsbezirk erstreckte sich übrigens auch auf Teile von Meusdorf und Stünz.
Ab der zweiten Hälfte des 18. Jahrhunderts, so schreiben die Heimatgeschichtler, verlegten wohlhabende Leipziger ihre Sommerwohnsitze nach Dölitz, „wegen seiner idyllischen Lage in der Pleißenaue“, u.a. Adam Friedrich Oeser, Goethes Zeichenlehrer. Im 19. Jahrhundert mauserte sich das Dörfchen darüber hinaus zum Ziel von Vergnügungs- und Erholungssuchenden aus der nahen großen Stadt. Um 1900 existierten hier acht Gaststätten. Der alte Dorfgasthof Zum Reiter und der Park Dölitz z.B. galten als „ausgesprochene Ausflugslokale mit Gartenbedienung“.
Heute lockt u.a. das Eiscafé Sabine* in der Leinestraße mit Kuchen, Eis und Garten. Die Helenenstraße 14 wird im Arbeitsheft Nr. 11 als Lokal „Friedenseiche“ erwähnt, außerdem eine in den 1980ern aktive Johannaburg in der Leine- / Ecke Johannastraße. Die Johannaburg heißt mittlerweile Restaurant Athen und die Friedenseiche Ballsaal, wir kennen diesen von einer Feier in den 1990er Jahren als Dölitzer Romantik.
Seit 1895 baute man in Dölitz untertage Braunkohle ab (siehe auch unseren Beitrag „Am Dölitzer Schacht“ vom Juli 2013), 1960 wurde das Unternehmen „wegen Unrentabilität geschlossen“. Auf dem „Bergbausenkungsgebiet zwischen Lößnig und Dölitz“ bildeten sich daraufhin „zwei wassergefüllte Senken“, der Große und der Kleine Silbersee**.
Erstaunlich fanden wir weiterhin, dass Dölitz und Umgebung seit 1890 über einen eigenen Consum-Verein verfügten, dessen Zentrale erst in der Friederikenstraße 5 und später in der Fritz-Austel-Straße 219 (Bornaische Straße) saß. Die Konsum-Verkaufsstelle der 1980er Jahre befand sich an der Ecke von Matzel- und Fritz-Austel-Straße und soll auch Standort des historischen Ladengeschäfts gewesen sein.
Der Vorort wurde schließlich 1910 eingemeindet und sein ehemaliges Rathaus (Fritz-Austel-Straße 215) 1955 zum Altersheim. Ein Jahr später eröffnete auf der Agra die Parkgaststätte. Sie steht auf Dölitzer Flur – und somit auch die Spreewaldschänke, in der wir uns nach Weihnachten ab und zu mit Freunden treffen.
* siehe unseren Beitrag „Ab in die Gartenkneipen X“ (August 2015)
** siehe unseren Beitrag „Rund um den Silbersee“ (Juli 2023)
Nachtrag 1: Das Wandbild aus der Bornaischen Straße zeigten wir im Oktober 2023 auf unserer Facebook-Seite und waren uns sicher, Götz George alias Kommissar Schimanski erkannt zu haben. Gabriele aber meinte, das sei Fred Delmare. Auf ihren Hinweis hin konnten wir uns mit dem Gedanken anfreunden. Delmare hat schließlich etwas mit Leipzig zu tun, im Gegensatz zu Schimanski.
Nachtrag 2: Ausführlich mit dem verschwundenen Herrenhaus beschäftigt sich Katrin vom Blog Leipzig Love in ihrem Beitrag „Ein Schlösschen in Dölitz“.
Nachtrag 3: Gerdt erinnerte sich auf FB, das Torhaus betreffend: „Darin befand sich in den 50er Jahren eine (Kinderarzt-?)Praxis. Ich war immer beeindruckt von den Kanonenkugeln aus den napoleonischen Kriegen in der Mauer.“ Danke!