Historie

Verlassene Bahnhöfe II

Verlassene Bahnhöfe II

In alten Bahnhofsgebäuden zu wohnen, ist eine reizvolle Vorstellung. Abgesehen von der Geräuschkulisse an nichtstillgelegten Strecken. In Miltitz, Möckern und Plagwitz rasen noch Züge vorbei, einige halten auch an. Und – Sensation! – in Plagwitz erwartet uns keine verlassene Station, sondern ein Bahnhof beinahe alter Machart: Es gibt eine Bahnhofswirtschaft (schon das Wort weckt Assoziationen)! Es gibt Fahrkarten nicht nur am Automaten zu kaufen. Und es gibt sogar eine Autovermietung. Hinzu kommt, dass Straßenbahn und Bus direkt vorm Haus halten.

In allen drei Bahnhöfen könnte man wohnen, Vermiet- bzw. Verkaufsangebote sind an den Gebäuden angebracht. Der Bahnhof Möckern zum Beispiel ist komplett zu haben, Preis: 135.000 Euro (bei septima.de). Schön wäre ja eine Nutzung, die teilweise auch der Öffentlichkeit zugute käme. Wahrscheinlich allerdings ist das im Augenblick nicht. Wobei der Bahnhof Möckern fast im beliebten Stadtteil Gohlis-Süd liegt und der Plagwitzer unmittelbar an der ebenso beliebten Spinnerei. Aber: Der letztere wird ja öffentlich genutzt.

Zum Bahnhof Leipzig-Plagwitz vermerkt der 1981er „Tourist Stadtführer-Atlas Leipzig“ unter anderem: „Abfahrt der S-Bahnlinie nach Wilhelm-Pieck-Allee sowie der Züge in Richtung Lützen-Pörsten und einiger Züge in Richtung Pegau-Zeitz-Gera.“ Anfang März wurde an einem neuen Bahnsteig gearbeitet, der ungünstigerweise vom Bahnhof aus nicht direkt zu erreichen ist. Man muss an der Straßenbahnendstelle lang laufen. Ein ziemlicher Quatsch.

In Miltitz (seit 1999 Ortsteil von Leipzig, liegt gleich am Kulkwitzer See) kann man durch kaputte Scheiben ins Gebäude hinein illern und – Geheimtipp! – wenn man Fußgänger oder Fahraddfahrer ist, die Unterführung nutzen, während die Autos an der oft geschlossenen Schranke stehen.

Aus einer Pressemitteilung der Stadt Leipzig vom 17.12.2013: „Nach umfangreicher Bürgerbeteiligung und dem Baggerbiss im Mai wird nach siebenmonatiger Bauzeit der erste Abschnitt des Bürgerbahnhofs Plagwitz* der Öffentlichkeit übergeben. Neben einer riesigen Luftschaukel befinden sich auf dem Gelände ein Kletterfelsen, ein kleiner Stufenplatz und Sitzelemente aus Granitborden der ehemaligen Bahnsteige. Umrahmt wird das Areal durch umfangreiche Baum- und Strauchpflanzungen sowie Ansaaten für einen „Prärierasen“. Die Kosten für das Teilprojekt betrugen circa 600.000 Euro (75 Prozent Europäischer Fonds für regionale Entwicklung EFRE, 25 Prozent Stadt Leipzig). Anlässlich der feierlichen Eröffnung auf dem Gelände des ehemals größten Güterbahnhofs Europas sind alle interessierten Leipziger herzlich eingeladen.“ Termin ist der 21. Dezember 2013.

* siehe auch „Verlassene Bahnhöfe IX“ (März 2014)

Nachtrag am 06.07.2015: Im Bahnhof Möckern kann man wirklich wieder wohnen! Und zwar zeitweise. Das Gebäude in der Kirschbergstraße 57 heißt jetzt Alte Bahnstation Leipzig-Möckern und hält zwei Ferienwohnungen bereit, das Appartement One „in der ersten Etage ist die ehemalige Residenz des Bahnhofsvorstehers“, während Appartement Two in der zweiten Etage einst als Lager diente. Auf www.ferienwohnungen-leipzig.de lasen wir von Porzellanschaltern, Steingutfliesen, Holzböden und restaurierter Originalmalerei im Treppenaufgang und sahen schöne Innenaufnahmen!

Nachtrag am 20.01.2017: Die LVZ berichtet heute über eine Sprechstunde Oberbürgermeisters Burkhard Jung in Miltitz und erwähnt dabei den Bahnhof: „Der Bahnübergang nervig, die Unterführung schmutzig, die Treppe gesperrt, das Bahnhofsgebäude vergammelt. Wer nimmt die Deutsche Bahn in die Pflicht? – ‚Die Stadt kann das leider nicht‘, sagte Jung. ‚Aber ich verspreche Ihnen, an die Bahn zu schreiben und auf die Probleme in Miltitz hinzuweisen.‘ Auch mit ein paar Kontakten wolle er helfen.“