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Die Sieben von der Turnhalle

Die Sieben von der Turnhalle

An der Plagwitzer Turnhalle waren früher einmal sieben Porträts angebracht, sie sind alle verschwunden, es stehen auch nur noch zwei Namen oben an der Wand: Dr. Lion und E.M. Arndt. Links neben Dr. Lion könnte der Lindenauer Turnvater Dr. Goetz platziert gewesen sein, zu entziffern ist nichts mehr außer Dr.. Nachdem wir dieses Thema am 10. März 2023 auf unserer FB-Seite publik gemacht und gefragt hatten, wer außer den beiden lesbaren Herren einst die historische Außenfassade in der Schmiedestraße schmückte, können wir nun mitteilen, dass wir es wissen. Aiko Wulff vom Sportmuseum Leipzig hat es uns verraten. Herzlichen Dank an ihn und seine hilfsbereite Belegschaft!

„Laut einem Bericht in der Deutschen Turn-Zeitung (Nr. 41 vom 14.10.1886) zur Einweihungsfeier am 24.-26. Juli 1886 waren an der Fassade der Turnhalle des Turnvereins zu Leipzig-Plagwitz sechs Reliefs und eine Büste angebracht: ‚Ist schon das Äußere des ganzen Baues, durch seine Architektur und durch das sinnvolle Anbringen der Reliefs von GutsMuths, Arndt, Spieß, Georgii, Lion und Goetz, in deren Mitte über dem Haupteingang die Büste Ludwig Jahn’s aufgestellt ist, sowie durch die reich verzierten Thüren und Thorgewände ein wohltuender und doch vornehmer Eindruck auf den Beschauer erzielt, so überrascht das Innere desselben durch seine höchst zweckmäßige Einrichtung und durch seine ebenso einheitliche als wirksame Ausschmückung auf’s angenehmste.‘

Bei den benannten Personen handelt es sich (vermutlich) um:

Johann Christoph Friedrich GutsMuths (1759-1839)
Ernst Moritz Arndt (1769-1860)
Karl Adolf Spieß (1810-1858)
Theodor Immanuel Heinrich Georgii (1826-1892)
Justus Carl Lion (1829-1901)
Ferdinand Hermann Wilhelm Goetz (1826-1915)
Johann Friedrich Ludwig Christoph Jahn (Turnvater Jahn, 1778-1852)

Die Lithographie von Kühn & Richter in unserer Sammlung (SPP16759), die von 1885 und damit dem Jahr vor der Grundsteinlegung und Eröffnung ist, zeigt anstelle von Spieß ein Relief von Karl Friedrich Friesen (1784-1814). In dieser Darstellung sind die Reliefs von links nach rechts folgend geordnet: GutsMuths, Goetz, Friesen, Arndt, Dr. Lion, Georgii. Anstelle einer weiteren Person ist über dem Haupteingang der Turnergruß ‚Gut Heil‘ zu erkennen, darüber steht die oben genannte Büste Jahns im heute nicht mehr erhaltenen Türmchen. Leider haben wir keine Informationen zur Hand, warum entschieden wurde, Spieß statt Friesen mit einem Relief zu ehren, und ob die Reliefs absichtlich entfernt, nach dem Zweiten Weltkrieg beräumt oder über die Jahre langsam degradiert sind.“

Für das absichtliche Entfernen der Porträts (etwa nach dem Zweiten Weltkrieg) spricht das zusätzliche Ausmerzen der Namen, die jeweils unter den Bildnissen zu lesen waren. Grund dafür könnte der Turnergruß „Gut Heil“ gewesen sein, der nach Drittem Reich klingt, aber um einiges älter ist. Allerdings, nach GutsMuths, Arndt, Lion, Goetz und Jahn sind in Leipzig seit Jahrzehnten Straßen benannt, die alten Turnväter waren auch zu DDR-Zeiten gut gelitten.

siehe auch unsere Beiträge „Bei Turnvater Goetz“ (Februar 2023) und „Altes Plagwitz“ (Januar 2020)