Wir hatten vielleicht ein halbes Jahr unserer Drucker- bzw. Buchbinderinnenlehre hinter uns gebracht, als einige* von uns zum Fotoapparat griffen. Inspiriert vom Bildband „Leipzig in Farbe“ wollten wir die weniger repräsentativen Seiten unserer Stadt in Schwarzweiß festhalten: Ruinen, abblätternden Putz, verblichene Werbung.
Anfangs kletterten wir noch mehr in den Ruinen herum, auf der Suche nach altem, interessanten Zeug – Gläser, Bücher, Bilder. Später verlagerte sich der Schwerpunkt auf das Ablichten der alten Häuser, mit Vorliebe solcher, deren Abriss kurz bevorstand. Auf diese Art und Weise kamen wir zu Dokumenten, die niemand anderer jemals wieder machen konnte.
Im Frühjahr 1988 erschien dann unser „Heiligtum“, ein dickes Buch mit historischen Leipzig-Aufnahmen von Hermann Walter**. Zu der Zeit nannten wir uns aus Quatsch IG Ruinenfotografie und stellten unsere Bilder im Rahmen der „Frühlingspalette“, einer Kulturschau Leipziger Lehrlinge, sogar im Kulturhaus der Eisenbahner (Spitzname „Schiene“) aus.
Dort trafen wir zwei Markkleeberger (einer guckt auf einem der untenstehenden Fotos aus einem alten Wartburg), die auch irgendetwas ausstellten, ebenfalls an Abrisshäusern interessiert waren und einen Fotoapparat dabei hatten. Und so zogen wir erneut durch die verlassenen Straßen der Umgebung des Kulturhauses, die in unseren Augen eine für „Die Abenteuer des Werner Holt“ taugliche Kulisse abgaben.
Erneut? Ja, denn im Dezember 1987 waren wir bereits zum Fotografieren zwischen Ernst-Thälmann-Straße (im Norden / = Eisenbahnstraße) und Erich-Ferl-Straße (im Süden / = Wurzner Straße), zwischen Herrmann-Liebmann-Straße (im Westen) und Torgauer Straße (im Osten) unterwegs gewesen. Es gibt Bilder aus folgenden Straßen: Juliusstraße, Natalienstraße, Bogislawstraße, Ernst-Thälmann-Platz, Hildegardstraße, Elisabethstraße, Idastraße und Zollikoferstraße. Wir zeigen eine kleine Auswahl.
* Kathrin (Stötteritz), Norbert (Südvorstadt), Bert (Schönefeld) und Bert (Grünau)
** „Hermann Walter – Fotografien von Leipzig 1862-1909“, VEB Fotokinoverlag Leipzig, die Autoren heißen Rose-Marie Frenzel und Wolfgang G. Schröter