(J.R.) Cowboys und Indianer in der DDR – einige beließen es beim reinen Spielen und verkleideten sich maximal zum Fasching im Kindergarten oder in der Schule als Rothaut, um sich zumindest einmal wie unser DEFA-Chef-Indianer Gojko Mitic, der als junger Häuptling Tokei-ihto seine Filmkarriere zementierte, zu fühlen. Andere wiederum zelebrierten es, Indianistik wurde seinerzeit die Beschäftigung mit den Ureinwohnern Nordamerikas genannt.
In Fürstenwalde hießen sie Apsarukeh, in Bautzen siedelten die Lakotas und in Weinböhla die Sioux, in Taucha waren bzw. sind es die Mandan und in Paunsdorf wurden die Waldindianer des Vereins Uhwentsya karenhata von Siegfried Jahn angeführt und geleitet. Uhwentsya karenhata bedeutet sinngemäß „wo der Ahorn wächst“. Der Indianistikklub Uhwentsya karenhata e.V. Leipzig hatte für etliche Jahre sein Domizil im Jugendklubhaus „Walter Barth“ in der Schwedenstraße.
Die Irokesen lebten weder in Tipis noch in Wigwams, sondern in Langhäusern. Darin wohnte meist eine Großfamilie mit allem Drum und Dran. Das Haus bestand aus einem Grundgerüst aus Holz, welches mit Rindenplatten bedeckt war und hatte entweder ein Spitz- oder ein Tonnendach. Zeitweise befand sich im Klubhausgarten des „Walter Barth“ ein solches moderneres Langhaus, gebaut, gehegt und gepflegt von den Mitgliedern des Indianistikklubs.
Siegfried Jahn ist ein Leipziger Urgestein. Viele kennen den 72jährigen als Inhaber der Buchhandlung Interart, die er von 1995 bis 2017 in der Königshaus-Passage betrieb und in der man die Mosaik-Bücher und alle Indianer-Bücher bekam, die einst in DDR-Verlagen erschienen sind.
Er war es auch, der mit einigen positiv Verrückten die Idee hatte, in der DDR einen Amateur-Indianerfilm über die Anishinabe, ein indigenes Volk Nordamerikas, zu drehen. Aus der Idee wurde Realität, wenn auch als Langzeitprojekt (1986 – 2020). Die Filmklappen für „He Is Gone (Er ist gegangen)“ fielen unter anderem im Paunsdorfer Wäldchen sowie im kleinen „Reservat“ der Mandan in Taucha, nicht weit entfernt von der Zivilisation, wo das Eisenross dampft und andere herzlose Ungetüme ihr Unwesen treiben.
Der (Opal)-Film des Jugendklubs Völkerkunde / Indianistik Leipzig-Paunsdorf erschien 2020 in einer Kleinauflage von 100 Stück auf DVD, vertont mit Hintergrundgeräuschen und einem professionellen Erzähler.
Die heutige Villa Breiting in der Theodor-Heuss-Straße 30, der früheren Schwedenstraße, hat eine bewegte Vergangenheit. Gebaut als Wohnsitz wurde sie während der Nazi-Zeit von einer SS-Reiterstaffel genutzt und in der DDR zum Jugendklubhaus „Walter Barth“ umfunktioniert. Die aktuellen Besitzer, das Ehepaar Fellenberg, möchten zum 150jährigen Bestehen des Hauses ein Buch über dessen Geschichte und die Aktivitäten dort veröffentlichen – 2025. Geplant, wie man aus informierten Kreisen hört, sei auch eine kleine Feier.
Herzlichen Dank an Filmfreund Jens aus Paunsdorf für diesen Beitrag und unseren Freund Jens aus Rückmarsdorf für das Heraussuchen und Fotografieren seiner Spielzeug-Indianer nebst -Cowboys!
Nachtrag am Erscheinungstag: Auf dem Bienitz in Burghausen gab es ebenfalls eine Indianergruppe, in der „Neuen Wache ist der Indianistik-Club ‚Ahwigacha‘ eingemietet“, informiert die 2011 veröffentlichte Broschüre „Exkursion durch den Bienitz“, deren Herausgeber das Amt für Stadtgrün und Gewässer, Abteilung Stadtforsten, der Stadt Leipzig gewesen ist. Heute findet man an der Neuen Wache allerdings keinen Hinweis mehr auf die Ahwigacha.