(J.R.) Die Welterfolge von Micky Maus haben gezeigt, dass in jedem Land, in dem sich Kinos befinden, ein Publikum für derartigen Zeichentrick vorhanden ist. Und jeder Kinopächter oder -besitzer in Deutschland wird bestätigen, dass auch seine Besucher diese Filme gern sehen. Es gab in Deutschland schon in den 1920ern eine wichtige, kreative Größe des Animationsfilms, Hans Fischer (1896-1973) aus Bad Kösen. Der „deutsche Disney“, wie er später genannt wurde, findet früh zur Kunst und früh nach Leipzig.
Durch schweres Asthma ist er sehr oft ans Bett gefesselt und entdeckt so bereits als Kind seine Leidenschaft fürs Zeichnen. Nachdem er drei Jahre an der Königlichen Akademie für grafische Künste und Buchgewerbe in Leipzig studiert hat, produziert er 1919 seinen ersten Trickfilm, „Das Loch im Westen“, dessen Thema die Schieberei im krisengeschüttelten Nachkriegsdeutschland der Weimarer Zeit war. Zwei Jahre darauf präsentiert Hans Fischer seinen ersten Werbestreifen, „Bummelpetrus“, für das Leipziger Schuhhaus Nordheimer. Im gleichen Jahr gründet Fischerkoesen, wie er sich fortan nennt, seine erste Firma, die Dux-Film mit späterem Sitz in der Kohlgartenstraße 6*.
In seiner Leipziger Zeit entstehen noch weitere Filme, die einen direkten Bezug zur Stadt haben. Einer der wichtigsten ist „Der Pfennig muss es bringen“ (Regie: Hans Fischerkoesen, Produktion: Julius Pinschewer), eine Werbung für die Deutsche Sparkasse und die Giro-Genossenschaftsbank vom November 1924. „Das tausendjährige Leipzig“, ein Kulturfilm mit Zeichentrickphasen aus dem Jahr 1925, beschäftigt sich mit dem Filmhaus Nitzsche, einem Geschäft in der Leipziger Karlstraße 1 (heute Büttnerstraße) mit Vorführraum für Kinematografen, Filme und Zubehör. Zwei Jahre später realisiert der „Meister“ über seine eigene Produktionsfirma, die sich jetzt Fischer-Kösen-Film (Leipzig) nennt, den animierten Bildstreifen „61 Jahre Mode – 61 Jahre Aufbau“ für das Textilkaufhaus August Polich in der Markgrafenstraße. In jenem Kaufhaus wurde 1898 die erste Rolltreppe Deutschlands installiert.
Fischerkoesen steigt zu einem geachteten und erfolgreichen Werbefilmer auf, sein Fleiß und seine Kreativität kennen keine Grenzen. Seine bekanntesten Werke, die keine Werbefilme sind, schuf er während des Zweiten Weltkriegs. Die „Verwitterte Melodie“ (1942) zeigt eine Wespe, die auf einer Wiese ein Grammophon entdeckt und es mit ihrem Stachel wieder zum Laufen bringt. In „Der Schneemann“ (1943) beschließt der Titelheld, in einem Gefrierschrank auszuharren, um wenigstens einmal den Sommer zu erleben. Und in „Das dumme Gänslein“ (1944) hat eine eitle Gans, die sich in die weite Welt jenseits des Bauernhofs hinauswagt, ein ernüchterndes Rendezvous mit einem Fuchs.
Die Kohlgartenstraße 6 ist heute ein unbebautes Grundstück und Bad Kösen ein schönes Ausflugsziel, dessen Besuch Ihr mit Abstechern nach Naumburg und Schulpforta verbinden solltet. Wir danken wieder einmal unserem Mistreiter Filmfreund Jens! Wer Interesse hat, kann bei ihm ab sofort eine 40seitige Fischerkoesen-Broschüre für 5,10 Euro beziehen. Kontakt: defafan@web.de.
* Nachtrag: Angetan von Jens‘ Artikel blätterte Andreas für uns in alten Unterlagen und stellte fest: Hans Fischer gründete die Firma Dux-Film im Juni 1921 mit Sitz in der Petersstraße 11. Im Jahr 1925 war die Adresse Frankfurter Straße 34 (die Villa Beyer – heute Jahnallee), von 1926 bis 1928 dann Kohlgartenstraße 6. 1928 wurde das Unternehmen in Fischerkösen-Film umbenannt und in die alte Ortslage nach Eutritzsch verlegt, dort war sie in der Gräfestraße bis 1938/39 ansässig. Diese Informationen geben die Leipziger Adressbücher. Aus den teilweise umfangreichen Artikeln im Web geht hervor, dass Fischerkoesen seit 1927 in Berlin-Charlottenburg produzierte. Da kann dann nur spekuliert werden. Vielleicht gab es mehrere Standorte? 1940 findet sich kein Eintrag mehr zu Fischerkoesen im Leipziger Adressbuch. +++ Danke!!!