Gummi-Klose gibt’s nicht mehr. Wir fragten letztens im Ladenlokal in der Georg-Schumann-Straße nach und erhielten die Auskunft, dass die traditionsreiche Firma im jetzt dort ansässigen Sanitätshaus aufgegangen sei. Dabei war Gummi-Klose bis weit in die 1990er Jahre hinein den meisten Leipzigern ein Begriff. Warum? Weil das Geschäft seit Menschengedenken im Zentrum präsent gewesen ist – so wie Samen-Koch, Waffen-Moritz, Leder-Erselius und einige mehr.
Am 23.04.1990 schrieb Thomas Gillmeister in der Tageszeitung Wir in Leipzig: „90 Jahre gibt’s ‚Gummi-Klose‘ nun schon in der Leipziger Innenstadt. Zuerst in der Hainstraße. Dort gründete Carl Klose im ehemaligen Messehaus Jägerhof (heute Broilerbar) sein Geschäft für Gummiwaren und Sanitätsartikel. Umsatzsorgen hatte er nicht. Das Sortiment war breit, die Fachberatung (fast) einmalig.
Nachdem Ehefrau Stella Klose für kurze Zeit das Geschäft übernahm, ging es 1968 in die Hände der Tochter Viola Schäfer über. Noch im gleichen Jahr setzte die Privatwirtschaftsverfolgung des Rates der Stadt ein. Man schmiß Frau Schäfer kurzerhand aus ihrem Laden. Begründung: Die Hainstraße sollte eine sozialistische Straße mit sozialistischen Handelseinrichtungen werden.
‚Mit dem Handwagen karrte ich meine Waren in Richtung Reichsstraße, wo mir ein kleiner verwahrloster Laden gnädigerweise zugewiesen wurde‘, erinnert sich die Geschäftsfrau verbittert. ‚Man unkte noch hinterher, daß über mir sowieso der Pleitegeier kreise.‘ Doch diesen Bösartigkeiten bot sie mit Fleiß, Geschäftssinn und Kundenfreundlichkeit Paroli. … Noch in diesem Jahr wird der Laden rekonstruiert.“
Auf einem groß abgebildeten, historischen Foto des Ladens in der Hainstraße ist zu lesen, was Carl Klose einst im Angebot hatte, nämlich Krankenmöbel, Massageapparate, Hygiene- und Badeartikel, Regenmäntel, Wetterhüte, Wochenbettausstattungen, Erstlingswäsche und Schönheitspflege.
Einen weiteren Gummi-Klose-Beitrag des Journalisten Gillmeister entdeckt man unter den Referenzen der F. Stamm GmbH, eines hiesigen Umzugsspezialisten. Wahrscheinlich in der Leipziger Rundschau war 1997 demnach zu erfahren: „In der knapp 98jährigen Geschichte von ‚Gummi-Klose‘ wagt Viola Schäfer … den 6. Neuanfang. … Ob im Wohnzimmer oder in der Küche – überall stehen Kartons bis unter die Decke gestapelt. Insgesamt über 250 Stück. Verkäuferinnen, Handwerker und Handelsvertreter rennen aufgeregt umher …
Und in all dem Trubel kurz vor dem Umzug, zwischen all den Brustprothesen und Gummistrümpfen sitzt … seelenruhig“ Viola Schäfer. „Nach einer Odyssee durch die Stadt hofft sie nun, ihren endgültigen Platz in der Georg-Schumann-Straße gefunden zu haben.“ Die zugehörige Bildunterschrift lautet: „Über 250 große Kartons mußten von der Toska- in die Georg-Schumann-Straße 257 transportiert werden. Mit dabei natürlich das Logo von ‚Gummi-Klose‘, der Storch.“
„Einfühlsame Beratung und schnelle Lieferung für alle Krankenpflegeartikel, insbesondere: Gummistrümpfe, Silikonprothesen, Spezialmiederware, Angorawäsche, Krankenhosen, Hüftgürtel, elegante Nachtwäsche und Morgenmäntel“, offeriert das Geschäft im Dezember 2000 in der Ortsteilzeitung für Möckern und Wahren, Viadukt.
Ein Dreivierteljahr zuvor hatten die Leipziger Blätter Frau Schäfer und ihrem Laden eine bis heute lesenwerte Würdigung gewidmet. „Der Sanitärwarenhandel Gummi-Klose wird hundert“, verkündete Jürgen B. Wolff und erzählt die Geschichte auf seine einzige Art und Weise. Wir bringen daraus drei Zitate und verweisen für die komplette Freude auf Internet (Gummi-Klose) oder Antiquariat.
„Carl Klose betrieb Straßenhandel mit Hygieneartikeln, bevor er sich auf der Hainstraße postierte und – so die Legende – Statistik darüber führte, wieviele Passanten auf der Straßenseite mit den geraden und wie viele auf der mit den ungeraden Hausnummern vorbeikamen. Da letztere gewann, eröffnete er hier im April 1900 sein Fachgeschäft für Gummiwaren und Sanitätsartikel: Hainstraße 17-19.“
„Der Name des Pioniers in Hygienesachen wurde zum Markenbegriff und erfindungsreich variiert. Ein Spülmittel für Damen etwa hieß ‚Kloseform‘, als Pulver zum Auflösen ‚Kloserol‘. Das zugehörige Klistier war die ‚Klosana-Dusche‘.“
„Eine eigene Schutzmarke wurde entwickelt, die bis heute alle Geschäftspost ziert: ein Storch, der ein sauber gewickeltes Kleines anliefert.“
Chronik: 1900-68 Hainstraße, 1968-90 Reichsstraße, 1990-92 Kupfergasse, 1992-97 Toskastraße, und 1997, so Jürgen B. Wolff, habe „der Laden sein fünftes Domizil bezogen: Georg-Schumann-Straße, kurz vorm Straßenbahnhof Möckern – wieder auf der linken Seite“. Fünftes Domizil, sechster Neuanfang – das spielt keine Rolle. Schade ist, dass es Gummi-Klose nicht mehr gibt! Auch wenn wir dort nie etwas gekauft haben …
P.S.: Vielen Dank an Andreas für die alten Adress- und Branchenbucheinträge!
Nachtrag: Ein Foto, auf dem die Läden von Samen-Koch, Gummi-Klose und Waffen-Moritz in der Reichsstraße nebeneinander versammelt sind, findet Ihr im Buch „Komm, wir gehen in die Stadt! – Gastronomie und Handel in Leipzigs Innenstadt 1945 bis 1990“ auf Seite 121.