(J.R.) Dreißig Jahre nach dem Mauerfall ist es an der Zeit, ein fast vergessenes Kapitel DDR-Design in unser kulturelles Gedächtnis zurückzuholen – die Mode. Noch immer existiert kein reales Bild vom Modeschaffen im Osten Deutschlands. Nicht einmal der DDR-Öffentlichkeit war bekannt, was professionelle Designer dieses Landes zu leisten imstande waren. DDR-Mode, im real existierenden Alltag überwiegend als piefige Bekleidungskultur in Grau-Beige wahrgenommen, hatte tatsächlich weit mehr aufzuweisen. Die hervorragende Ausbildung, vor allem an der Kunsthochschule Weißensee oder der Fachschule für Bekleidung in Berlin, bildete die Grundlage für das hohe künstlerische Potenzial der Modeschaffenden, die überwiegend am Modeinstitut der DDR, im VHB Exquisit oder für die Zeitschrift Sibylle arbeiteten.
„Herzlich willkommen im Ring-Café, dem traditionsreichen Haus für Veranstaltungen in der Leipziger Innenstadt.“ So wird man heutzutage auf der Homepage des Lokals begrüßt. Das in den 50er Jahren gebaute Ring-Café ist nicht nur den Leipzigern als Restaurant, Tanzcafé und Ort großartiger Festlichkeiten in guter Erinnerung, der prachtvolle Saal, die riesige Terrasse und die stilvolle Bar beindrucken noch immer. Und selbst als Drehort für Fernseh- und Kinofilme bot das Ring-Café die geeignete Innen- und Außendekoration. So wurden Kameras, Scheinwerfer und Sonnensegel aufgebaut für den Fernsehfilm An die Grenze (2007) und den französisch-deutschen Kinofilm Carlos – Der Schakal (2010), der in fiktionalisierter Form das Leben des venezolanischen Terroristen nachzeichnete.
Das Ring-Café galt lange Zeit als In-Lokal der DDR und war auch Austragungsstätte für etliche Modenschauen, Tanzfeiern und Bälle. Mit 800 Plätzen galt es als größtes Café der DDR, Krawatte und Anzug waren Pflicht. Apropos Modenschauen: Am 26. Januar 2012 präsentierte der Mann, der die DDR anzog, Klaus Ehrlich (*1941), DDR-Mode im Ring-Café – viel Synthetik, hunderte Originalkleider von Malimo bis Dederon. Zehn Models waren beteiligt. Moderiert wurde die Show von ihm selbst, bekannt aus der Sendung „Mode mal Ehrlich“, die einst viermal im Jahr an verschiedensten Schauplätzen auf die Trends der jeweils kommenden Saison aufmerksam machte. Seit 1971 steht Ehrlich vor der Kamera. Zuvor war er als Werbeökonom bei den „Tausend Tele-Tips“ angestellt, später studierte er Regie. Die Café-Betreiberin Birgit Heßler sagte dazu: „Nach langem Dornröschenschlaf knüpfen wir seit 2006 an die Historie wieder an. Und mit dieser Veranstaltung wollten wir auch ein wenig die Tradition wahren.“
Aufgrund des Erfolges gastierte Klaus Ehrlich drei Jahre später, also im Januar 2015, erneut in den geschichtsträchtigen Räumlichkeiten – mit seinem Buch „So Ehrlich wie möglich“. Er erzählte fesselnd und unterhaltsam von Pariser Mode und Karl Lagerfeld, von abenteuerlichen Reisen nach Kuba und Russland, von ostdeutscher Safari-Mode, von Hildegard Knef, die sich in Mode versuchte, und von Nina Hagen, die für einen Modefilm sang: „Ich bin gepresst wie eine Leberwurst“. Eine amüsante Zeitreise. Im Zuge der 2012 begonnenen Fassadensanierung der Ringbebauung hat die LWB auch die Erneuerung der kaputten Leuchtschrift über dem Ring-Café in Angriff genommen. Durch die Ausstattung mit LED-Beleuchtung wurde der Stromverbrauch um rund zwei Drittel gesenkt. Und nun leuchtet die historische Reklame in jenem Gelb, das vor gut 25 Jahren erloschen war. Wer mehr über die Geheimnisse und Hürden der DDR-Mode wissen möchte, dem sei das im Herbst erscheinende Buch „Zwischen Schein und Sein“ der Berliner Modedesignerin Ute Lindner empfohlen.
Herzlichen Dank an Jens für diesen Beitrag!
* wenn die Museen wieder öffnen, empfehlen wir weiterhin eine Fahrt nach Halle, in der Moritzburg wird eine Karl-Lagerfeld-Ausstellung gezeigt, die wir kurz vor Ausbruch der Corona-Krise noch besuchen konnten
Nachtrag am 07.05.2020: Steffi stellte uns ein Motiv aus ihrer Postkartensammlung zur Verfügung, auf dem der Freisitz vorm Ring-Café zu sehen ist. Besten Dank!