Eiserne Puppenbetten, Puppenwiegen, Puppenmöbel und sogar Puppenschlitten verschickte der Spielwarenfabrikant Richard Kittel von Gohlis aus in alle Welt, nach Südafrika, Frankreich, China und in die USA zum Beispiel, „fest und zusammenlegbar, höchst praktisch für den Versand, da wenig Raum erfordernd“, mit Matratzen, Bettwäsche, Vorhängen – perfekte Miniaturen. Gegründet worden war das Unternehmen am 1. November 1900, der Handelsregistereintrag erfolgte am 9. April 1913. Damals tummelten sich auf Leipziger Höfen die Betriebe, in unmittelbarer Nachbarschaft der Kittelschen Puppenbettenfabrik befanden sich u.a. eine Scheuer- und Putzlappen- sowie eine Senfproduktionsstätte.
Auf dem Hof der Luisenstraße 5 (heute: Mottelerstraße 7), bei Richard Kittel, wirbelten auf drei Etagen Schlosser, Näherinnen und Lackierer, während der Chef über Neuheiten brütete. „Großvater war Tüftler, kein Geschäftsmann“, sagt Enkeltochter Eva Trapp (geb. 1945). Um die 30 Angestellte inklusive Heimarbeiterinnen beschäftigte er trotzdem, es wurde gestanzt, geschweißt und genietet, einmal in der Woche kam der Rollkutscher und brachte die Ware zum Bahnhof. Zur Messe stellte man in Specks Hof aus, manchmal auch im Petershof, im Grönländer* oder im Messpalast.
Von 1900 an bis heute wird im erwähnten Hofgebäude gearbeitet, auf den Gründer Richard Kittel (1867-1942) folgte Sohn Erich und auf den dann dessen Schwiegersohn. Der, Hans-Werner Trapp (geb. 1945), übernahm das Geschäft – mittlerweile eine Dreherei – 1979 von Erich Kittel. Heute stehen er und seine Frau Eva zuweilen beide an den Maschinen, sie wohnen über diesen und versenden ihre Produkte mit den zeitgenössischen Rollkutschern von UPS.
Da die Familie immer im Haus geblieben ist, haben sich unzählige Unterlagen erhalten, u.a. eine Lohnübersicht von 1910 sowie das Schreiben, in dem Kittels (Richard Kittel & Sohn = R.K. & Sohn = Erkaso) zu Beginn des Zweiten Weltkriegs aufgefordert werden, die Puppenbetten-Produktion einzustellen. Auf der Leipziger Messe mussten sie sich pro forma weiter präsentieren, durften aber keine Verträge mehr abschließen.
Einschreiben aus Dresden-Neustadt vom 5. April 1940, Absender war Staatsminister Lenk für den Reichsstatthalter in Sachsen, eingegangen am 8. April: „Auf Weisung des Herrn Ministerpräsidenten Generalfeldmarschall Göring, Beauftragten für den Vierjahresplan und Vorsitzenden des Ministerrats für die Reichsverteidigung, müssen weitere Arbeitskräfte für die Wehrmachtfertigung durch sofortige Stillegung von Betrieben, deren Aufrechterhaltung für die Kriegführung nicht unbedingt erforderlich ist, freigemacht werden. Ich ordne daher im Auftrage des Herrn Reichswirtschaftsministers und nach Fühlungnahme mit den beteiligten Dienststellen des Staates und der Partei hiermit an, daß Sie Ihren Betrieb bis zum 25. April 1940 stillzulegen haben.“
wird fortgesetzt mit „Anglerstühlen aus Gohlis“
* siehe auch unsere Beiträge „Der Grönländer, Teil 1 und 2“ (September 2019) und „Die Serviette von 1884“ (Mai 2020)