Lauft Ihr die Wasserstraße hinter, landet Ihr am Ulrichsteich. Dort steht die 2014/15 sanierte KAOS-Villa und bietet Kindern und Jugendlichen diverse Arten von Freizeitbeschäftigung. Aber auch alle Anderen können kommen und um den halben See laufen. Nehmt auf den bereitgestellten Bänken Platz und staunt über das einstige Anwesen des Leipziger Brauereibesitzers Friedrich August Ulrich. Auf Schildern zu hier vorkommenden Bäumen und Tieren wird es als „Stadtgarten Lindenau“ bezeichnet.
Rechts hinter der Villa harrt eine Laube am Ufer aus, Ulrichs Gartenhaus. Von der Sanierung des Hauptgebäudes blieb diese Holzkonstruktion unberührt. Sie ruht wie eine Erinnerung am Wasser, dient als Lager und verschwindet wahrscheinlich irgendwann aus Gründen der Baufälligkeit. Ein im Gelände Tätiger meint zwar, dass das bunte Häuschen im Augenblick noch zu retten wäre, zweifelt aber selbst daran, dass das passieren wird. Die Terrasse rundherum zeigt bereits Symptome äußerster Morschheit und kann zum Betreten nicht empfohlen werden.
Gibt es eigentlich das mit dunklem Holz getäfelte Herrenzimmer oben in der Villa noch? Und das darin befindliche farbige Fenster mit dem Mönch, der das Markenzeichen der Brauerei Ulrich gewesen ist? Hoffentlich!
Links vom Haupteingang führt unter Bäumen ein Weg am Teich entlang. Folgt Ihr diesem, entdeckt Ihr nach einigen Minuten ein Tor, den Hinteraus- bzw. -eingang. Der Knauf am Tor ist zum Drehen, Ihr kommt hier rein oder raus, mindestens zu den angegebenen Zeiten. Und draußen seht Ihr erst einen Tom-Sawyer-Bretterzaun und ein paar Meter weiter die Friesengärten mitsamt der Friesenstraße. Rechts geht es nun am Sportplatz von West 03 vorbei in den Wald. Kurz vor der Brücke über die Kleine Luppe biegen Neugierige erneut nach rechts und bei einem liegenden Stumpf auf einen gut ausgetrampelten Pfad ein, um durch Mauer, Metallgitterzaun und Bäume einen Blick auf den nicht zugänglichen Teil des Ulrichsteichs zu werfen.
Auf www.kaos-leipzig.de wird die Geschichte von Haus und Grundstück erläutert, vom Lehmabbau durch Hoffmann & Licht, der den Teich erst entstehen ließ, über die Bautätigkeit des Schokoladenfabrikanten Wilhelm Felsche bis hin zur Familie Ulrich, deren letzter Spross Rolf bis 1973 in der Villa lebte und 1996 verstarb. 1976 wurde sein Haus zum Pionierhaus („Erich Pörschmann“), 1990 zum „Freizeithaus am Auewald“ und 1992 schließlich zog hier der freie Träger KAOS (= Kunst, Aktion, Objekte, Spiel) ein. Dessen 10. Kultursommer läuft bis 31. August, u.a. mit dem Seeklang-Festival, dem Loop-Art-Festival sowie Schillers „Räubern“ als Sommertheater. Schöne Anlässe, um das Gelände zu besuchen!
siehe auch unsere Beiräge „Das KAOS kehrt zurück“ (Juni 2015), „Sternburg, nicht Sternburger“ (März 2012, mit dem erwähnten bunten Fenster), „Ab in die Gartenkneipen IX“ (August 2015, Friesengärten) und „Der berühmte Gullydeckel“ (Mai 2016, über den Sportplatz von West 03)
Nachtrag am Erscheinungstag: Maria informierte uns binnen Minuten, dass das Herrenzimmer bei der Sanierung „enttäfelt“ wurde und das Bleiglasfenster mit dem Mönch eingelagert ist. Und die Kulturwerkstatt KAOS schrieb: „Danke für den schönen Beitrag! Nur eine kleine Korrektur: KAOS ist seit 2006 kein eigener Verein mehr, sondern gehört zur Kindervereinigung Leipzig e.V..“ Alles klar!
Nachtrag am 18.08.2019: Unser Leser Dieter schickte uns folgende Informationen des KAOS-Nachbarn KGV Bach’sche Erben: „Um 1878 war das Gelände unseres heutigen Gartenvereins ein Feld. Vorher hatte der Boden der Lehmgewinnung für eine Ziegelei gedient. Dicht dabei war ein Badeteich der von Birnbäumen bewachsen war. Im jetzigen Park des ehemaligen Besitzes von Brauer Dr. Ulrich war damals ein größerer Sumpfstreifen, der sich bis an den Charlottenhof hinzog. Die damaligen Einwohner Lindenaus waren noch erdverbunden. Deshalb kam der ‚alte Kind‘, eine knorrige Erscheinung, Dünnebier, ein kleiner lebendiger Sachse, und Eduard Rentsch, genannt ‚der Selleriebauer‘, überein, das östlich und westlich der heutigen Angerstraße gelegene Land urbar zu machen. Deshalb marschierten sie zum Rittergut Breitenfeld und wandten sich dort an den Rittergutsbesitzer Bach. Der gab ihnen willig Gehör und überließ ihnen das Land auf eine Reihe von Jahren kostenlos zur Bearbeitung. Später mussten sie dann eine Jahrespacht von 5 Pf. je Quadratrute abführen.“ Sehr stimmungsvoll! Danke, Dieter!
KGV = Kleingarten- bzw. Kleingärtnerverein