Glück im Unglück, Schwein gehabt! Kurz vor Corona, in der letztmöglichen Woche hatten wir Urlaub und fuhren hinunter nach Thüringen. In Erinnerung an eine Klassenfahrt in den Achtzigern besuchten wir das Schwarzatal. Damals hatten wir in einer Jugendherberge in Bad Blankenburg gewohnt und u.a. Rudolstadt gesehen. Diesmal sollte es Schwarzburg sein. Dort aber waren die Hotels schon geschlossen, bevor sie bei uns wegen des Virus schließen mussten. Entweder hatten sie ganz aufgegeben oder machten Zwischensaisonpause. Ob Hirsch, Schlossberg-Hotel oder Schwarzaburg – wir bekamen einfach kein Zimmer. Erst im benachbarten Sitzendorf über der Eisbar durften wir bleiben (Pension Bergterrasse). Darum aßen wir auch dankbar Eis und zwar Sitzendorfer Schlamm, „sahniges Vanille- und Schokoeis mit Sahne und Schokolikör nach Urgroßvaters Geheimrezept“.
Am Tag darauf sahen wir uns Schwarzburg an. Dass Friedrich Ebert hier im Jahre 1919 die Weimarer Verfassung unterzeichnet hat, wussten wir nicht. Auf dem Weg zum Schloss wurden wir allerdings mehrfach darauf hingewiesen – von einer Gedenktafel, einem Gedenkstein sowie einem großen Aufsteller mit Friedrich-Ebert-in-Schwarzburg-Foto. Wir spazierten durch den oberen Ortsteil, durch den unteren sowie am Goldwäscherfluss Schwarza ein Stück im hübschen Tal entlang. Beim nächsten Mal wandern wir bis nach Bad Blankenburg, dieses Mal war der Weg wegen Forstarbeiten gesperrt. Und wir staunten erneut: In Bad Blankenburg hatte der Pädagoge Friedrich Fröbel* 1840 den ersten Kindergarten der Welt eröffnet!
In Königsee wiederum erwischten wir die „1. Thüringer Premium-Cola“, eine Osta-Cola, ließen uns im Buchladen „Lesehunger“ von Iny Lorentz‘ Thüringen-Bestseller-Reihe um die Wanderapothekerin erzählen und im Hotel „Zum Löwen“ die landestypische Bratwurst servieren. Außerdem entdeckten wir alte Werbung in der Art, nach der wir in Leipzig immer Ausschau halten, zum einen die Bleibe von Edmund Peter („Installation / Elektr. Anlagen / Ornamenten-Klempnerei“) und zum anderen das HO-Textil-Kaufhaus am Platz der Jugend. In Eisenberg, der letzten Station unserer Kurzreise, kam noch eine Giebelwand mit volkseigenen Qualitätsmöbeln hinzu.
Am belebtesten präsentierte sich die Stadt Saalfeld, in welcher Kaiser Karl V. 1547 im Gasthof „Zur güldenen Gans“ weilte und dabei den sächsischen Kurfürsten Johann Friedrich den Großmütigen als Gefangenen mit sich führte. Der hatte kurz zuvor die Schlacht bei Mühlberg verloren, während des Schmalkaldischen Kriegs, und verlor infolgedessen seinen Kurfürstentitel, um fortan nur noch Herzog von Sachsen zu sein. Christian wiederum war gut ein Jahrhundert später Herzog von Sachsen-Eisenberg und als solcher verantwortlich für den Bau der an der Autobahn zu recht als Sehenswürdigkeit ausgeschilderten Schlosskirche.
Wir wollen bald wieder nach Thüringen, unbeschwert an der schwarzen Schwarza durch den grünen Wald spazieren und uns dann auch den Leipziger Turm bei Schmiedefeld ansehen! Leipziger Wanderfreunde hatten zu dessen Errichtung viel Geld gespendet, woraufhin die Schmiedefelder Kollegen den Bau nach der gar nicht so fernen Messestadt benannten. Zuguterletzt noch das: Im Schwarzburger Hirsch steht eine alte Personenwaage, welche einem Ingenieur aus Leipzig gehört …
* in Leipzig befand sich das Fröbelhaus als Spezialgeschäft für Schul- und Kindergartenmaterial in der Nikolaistraße 27/29 (siehe unseren Facebook-Eintrag vom 15. April 2020)