„Mag der kleine Nachen immerhin unbeachtet im Strome der Zeit abwärts treiben; das gesunde Holz taucht doch zuweilen auf und wird für manchen Versinkenden zur rettenden Planke“, schrieb Dr. Eduard Wilhelm Güntz, der „Begründer, Eigenthümer und Director“ zum 25jährigen Bestehen seiner Irren-Heil- und Pflege-Anstalt Thonberg 1861 im Vorwort eines Buches, das komplett im Internet einsehbar ist.
„Die Irren-Heil- und Pflege-Anstalt Thonberg im ersten Vierteljahrhundert ihrer Wirksamkeit“ ist dieses Werk überschrieben und im Jahre 1861 bei Philipp Reclam jun. in Leipzig erschienen. Wir zitieren daraus und illustrieren das Ganze mit Bildern von heute. Güntz wollte bereits um 1830 „die alten Verhältnisse des Irrenwesens in Leipzig“ ändern – für Geisteskranke aus finanzkräftigen Familien – und erklärt seine Arbeit und sein Institut im Folgenden selbst.
„Der Thonberg nimmt heilbare und unheilbare Kranke auf … Die Kranken werden in der Regel aus den gebildeten Ständen an die Anstalt abgegeben. Gebildete Stände aber bedeuten für unser Thema höhere und mittlere Classen der bürgerlichen Gesellschaft, welche genügend begütert sind, um die Pensionsbedingungen erfüllen zu können.“
„Wir eröffneten unsre Thätigkeit zunächst in Möckern in den Gebäuden der Leipziger Oekonomischen Gesellschaft, deren Zugang durch des Dr. Crusius Humanität uns erschlossen wurde … und träumten von Thonberg. Dort nämlich hatte Dr. Güntz vor Jahren … den rechten Platz erkannt.“ Die Inbetriebnahme des Geländes zwischen Lichtenbergweg, Schönbach- und Güntzstraße erfolgte im Herbst 1839.
„Die Anstalt Thonberg liegt, eine Viertel=Meile von Leipzig entfernt, südöstlich auf der Höhe, welche die Wasserscheide zwischen Elster und Mulde bildet. Eine Landstraße, die Chaussee von Grimma, und der Communicationsweg des Nachbardorfs Stötteritz, sichern in jeder Jahreszeit die Verbindung mit der Stadt. Wenn die Hügellehne, auf welcher die Gebäude errichtet wurden, seit undenklichen Zeiten Thonberg heißt, so rechtfertigt die Natur des Bodens den Namen vollkommen: denn zahllose Meister haben aus dem Vorrathe, welchen die Natur hier aufgespeichert hat, ihr Leben lang getöpfert.“
„Die Anstalt ist frei im Felde gelegen und durchaus von andern Gehöften abgesondert. Gegen Mittag und Mitternacht breitet sich stundenweit Acker und Wiesenland aus, im Abend grenzen die Gärten von Mariabrunn und im Morgen trennt uns ein Ackerstreifen vom ersten befreundeten Hause des Dorfes Stötteritz.“
„Sämmtliche Gebäude sind im Verhältnisse einfacher Landhäuser und im Renaissance-Styl aufgeführt, aus hartgebrannten Ziegeln, mit Grund und Socke von Bruchsteinen, mit Schwellen, Sohlbänken und Verzierungen von Sandstein. Die Dachung ist Schiefer, zum Theil auch Zink. Blitzableiter sichern die Hauptgebäude.“ Zur Einrichtung der Anstaltsräume wird vermerkt: „Die Wände sind Tapeten bekleidet, die Decken gemalt, die Fenster mit Gardinen und Rouleaux versehen.“
Das Kapitel „Die Gärten“ widmet sich in belletristischen Formulierungen dem heutigen Güntzpark: „Als der Direktor, seinen Plan in der Linken, den bespannten Pflug, welcher die Linien der Wege ziehen sollte, eigenhändig führte, riß der blanke Schar ein todtes Erdreich auf und warf, statt des Humus, nur Kieß und Lettig zu Tage. Das Land war Lehde, ein wüster Boden, und die Binse sein höchstes Gewächs.“
„Das geräumige Gartenland ist in mehrere Districte getheilt, deren größter, welcher im Norden der Gebäude sich ausbreitet, eine Parkanlage bildet … Dieser kleine Park bietet viele einladende Ruheplätze und eine Erhebung des Bodens, welche eine dankbare Rundsicht der Leipziger Ebene gewährt.“ Am Spielplatz, an der Grenze zur benachbarten Gartenanlage, kann man das nachempfinden und über die Güntzstraße sowie die Gleise des Bahnhofs Stötteritz in die Innenstadt gucken.
„Zur Annehmlichkeit der Lustwandelnden sind Schaukel und Kegelbahn, Turnplatz und Kiosk so wie ein Schießstand zum Vogel- und Scheibenschießen eingerichtet. Ein umstelltes Geheg birgt einige Rehe. Zwei Teiche, besonders ausgegraben, haben eine gemessene Wassertiefe (zwei Fuß), ihre Besetzung an Fischen, eigene Quellen und steten Abfluß, der zur Speisung eines kalten Bades mit Schwimmbassin benutzt wird.“
Ganz so üppig ist der Park nicht mehr ausgestattet, allerdings immer noch erstaunlich mit Turm und Dankbarkeitsstein (1886 gestiftet von Patienten), zwei Spielplätzen, weiten Wiesen und hohen Bäumen. Die erhaltenen der ehemaligen Anstaltsgebäude stehen unmittelbar am Park und werden gewerblich genutzt, z.B. durch die LWB und das Café Canapee (siehe unseren Beitrag „Aufenthaltsraum für ruhige Herren“, September 2014).