Als wir unlängst in der Eisdiele Süßkind waren (Kann es sein, dass in Leipzig gerade überall neue Eisläden entstehen? Unter anderem haben wir auch gerade Pauls Schleckeria am Adler entdeckt.), fiel uns gegenüber ein blaues Brandkatasterschild ins Auge. Diese Dinger hatten es uns doch schon im Frühjahr angetan. Doch hier sahen sie anders aus als in Leipzig, denn Lützschena gehörte zur Zeit ihrer Anbringung an Tür und Wand nicht zur Stadt.
Während man dort beispielsweise die Angabe Eu, Go oder Stö für Eutritzsch, Gohlis oder Stötteritz findet, lasen wir hier O.L.H. bzw. etwas weiter stadteinwärts O.L.Q.. Wir reimten uns zusammen, dass O.L. Ortslage heißen könnte, das H für den Lützschenaer Ortsteil Hänichen steht und das Q für Quasnitz. Dann fragten wir unseren Mitblogger und Blaue-Schilder-Experten Harald Stein (wortblende) um Rat.
Harald bestätigte die Vermutung und hatte noch einiges mehr in petto: „Eine heutige Zuordnung der Brandkatasternummern ist schwierig, weil Leipzig-Land nicht in den Adressbüchern der Stadt Leipzig aufgeführt wird und nur in den älteren Adressbüchern von Leipzig-Land Brandkatasternummern vorkommen, allerdings ohne Bezug auf heutige Straßennamen.“
Es gäbe jedoch bei der SLUB (= Sächsische Landesbibliothek / Staats- und Universitätsbibliothek Dresden) digitalisierte Adressbücher der Leipziger Vororte, z.B. aus dem Jahr 1903/04 mit den Einwohnerverzeichnissen von Quasnitz und Hänichen, in denen er unter Quasnitz Nr. 25 die Hausbesitzerin Rosine Herzog ausfindig machte und für Hänichen Nr. 39b den Hausbesitzer Gustav Süßkind. Süßkind! Wie die Eisdiele gegenüber.
Weitere Adressbücher aus den Jahren 1908, 1918 und 1920 wären vorhanden und konkretisierten zu Gustav Süßkind, dass er der Restaurateur des Lokals „Zur Sächsischen Schweiz“ gewesen sei. Eine Ansicht dieses Gasthauses wiederum zeigt eine historische Postkarte auf der Internetpräsenz von Lützschena-Stahmeln unter dem Punkt „Historische Ansichten von Lützschena“.
siehe auch unsere Beiträge „Alte Schilder in Neustadt“ (März 2016) sowie „Noch mehr blaue Schilder I und II“ (April bzw. Mai 2016)
Nachtrag im März 2020:
Zum Schild in der Prellerstraße 25 führt Blogger-Kollege Harald aus:
1. bis 1947 hieß die Straße Wilhelmstraße
2. ab 1916 wurden die Hausnummern in der Wilhelmstraße nach dem Prinzip Straßenanfang, links ungerade, rechte Seite gerade nummeriert, damit ist das hier auf der linken Seite wie zu sehen die Nr. 25
3. vorher wurden die Häuser fortlaufend durchnummeriert, beginnend am Straßenanfang links, die obere Zeile auf dem Brandkatasterschild, die 42, ist die alte bis zum Jahr 1915 verwendete Hausnummer 42, also Wilhelmstraße 42
untere Zeile: Brandkatasternummer Gohlis Abth. (Abtheilung) A, Nr. 15
Die ,,th“-Schreibung deutet darauf hin, dass dieses Schild vor dem Jahr 1901 hergestellt wurde. 1901 fand die Zweite Orthographische Konferenz statt, in heimischen Wörtern sollte demnach das h nach t grundsätzlich fallen (Tal, Tür statt Thal, Thür). In Fremdwörtern wie Thron und Theater wurde die th-Schreibung beibehalten.
Herzlichen Dank, Harald!